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16.01.19 –
Lukas Aster, Verkehrsexperte der Grünen Kreistagsfraktion aus Sonsbeck und langjähriger Bahnpendler, hat auf die Kommentierung der Rheinischen Post zu den Bahnproblemen der RB 31 in einem Schreiben reagiert. Er sieht dringenden Verbesserungsbedarf in mehreren Bereichen, will aber die Kritik nicht allein bei der Nordwestbahn abgeladen sehen.
Nachstehend der Brief:
Als Bahnpendler und Mitglied der Kreistagsfraktion der Grünen verfolge ich die Berichterstattung über die miserable Situation auf unserer Bahnstrecke immer mit erhöhter Aufmerksamkeit und bin von daher auch immer sehr dankbar für die nachhaltige Mühe, die Sie für dieses immerwährende Thema aufwenden. Gerade weil uns dieses Thema schon so lange beschäftigt und vor dem Hintergrund, dass ich seit über weit mehr als 20 Jahren die (in der Tat wichtige) Bahnstrecke Xanten-Duisburg nutze, erlaube ich mir aber dann doch einige Hinweise zu Ihrer öffentlichen Darstellung dieses Problems.
1. Lokführermangel NWB. Als die NWB vor rund 9 Jahren den Fahrdienst übernahm, gab es viele motivierte Lokführer, die mit viel Engagement versuchten, den Fahrplan auf der immer noch maroden Strecke durchzuführen. Mit den Jahren kam aber die Erkenntnis, dass es sich hierbei um eine Mission Impossible handelt, weil auf der eingleisigen Strecke derartig viele Unwägbarkeiten eintreten, dass ein geregelter Fahrdienst nach Plan kaum möglich ist. In dem hohen Krankenstand spiegelt sich daher auch die hohe Frustration, ständig die Prügel für die vernachlässigte Strecke abzubekommen. Das Fahrpersonal kann aber faktisch nichts für die vertrackte Situation. Der Lokführermangel ist also letztlich in der mangelhaften Ausstattung der Strecke begründet, der hohe Krankenstand lediglich eine akute Spitze in einer schleichenden Abstimmung mit den Füßen, dem Exodus der Lokführer. Von daher ist es unbedingt notwendig, sich von einem einseitigen NWB-Bashing abzugrenzen. So beschaulich das Gleis in Birten daher kommt, so belastend ist der Museumsbahncharakter für die ausführenden Akteure. Es ist zum Weglaufen. Für die Lokführer und Schaffner. Aber nicht für die Fahrgäste. Denn...
2. Obwohl die DB Netz jahrzehntelang versucht hat, die Strecke einzumotten, ja, verrotten zu lassen, und obwohl unangekündigten Zugausfälle schon vor zwanzig Jahren zum Regelbetrieb gehörten, steigen dort zwischen Xanten und Moers immer noch bis zu 3000 Fahrgäste ein und aus. Warum ist das so? Weil es immer eine Minderheit gibt, die darauf angewiesen ist, am Niederrhein ohne Führerschein mobil zu sein: Berufsschüler, Flüchtlinge, Versehrte. Sie leiden am stärksten unter der Situation, wenn sie manchmal mehr als eine Stunde am Bahnsteig auf den nächsten Zug warten. Sie haben keine Mobilitätsgarantie für ein Taxi, und selbst wenn, kämen sie mit den beschämenden 25€ vom VRR niemals an ihr Ziel. Und weil das so ist, sind die Züge im Berufsverkehr trotz der vielen Ausfälle rappelvoll, wie am Montag, den 7.1.19, als die NWB um 7.17 Uhr mit nur einem Triebwagen in Rheinberg erschien und 20 Berufsschüler mit Ziel Moers draußen bleiben mussten, weil sie nicht hineinpassten. Sie merken vielleicht: Die ewig gleiche wirtschaftsliberale Leier vom Credo "Nachfrage steuert Angebot" passt bei der RB 31 überhaupt nicht. Die Leute würden selbst unter widrigsten Bedingungen noch Zug fahren, weil sie Zug fahren müssen... und deshalb gibt es diese Bahnstrecke, gegen den Willen der damaligen Bundesbahn Direktion Köln, jetzt DB Netz.
3. "Die Politik tut nichts". Der Satz ist falsch. Meine Partei hat vor wenigen Wochen Ihrer Redaktion das Angebot gemacht, den langjährigen Schriftwechsel zwischen DB Netz, Nordwestbahn und VRR einerseits und den kommunalen GRÜNEN andererseits zur RB 31 Ihnen zur Verfügung zu stellen. Eine Reaktion darauf Ihrerseits ist mir bisher nicht bekannt. Das politische Problem liegt nach unseren Erfahrungen ganz woanders. Während die Schweiz den ÖPNV/SPNV zu einer nationalen Angelegenheit gemacht hat und damit die Zuverlässigkeit der betriebenen Verkehrsmittel als Staatsziel auch steuerlich verankert hat, ist Deutschland im Zuge der Privatisierung den Weg gegangen, die Verantwortung für den Betrieb an private Firmen und an die zahlenden Fahrgäste abzugeben. Der Staat sieht sich nur noch als Zuschussgeber von Geldern, die nach Belieben gewährt oder gekürzt werden können. Damit sind die öffentlichen Gelder nur noch betriebswirtschaftlich relevant für die Verkehrsunternehmen; eine verkehrspolitische Steuerung des Geschehens durch den Staat ist nicht mehr möglich. Die Zeche zahlt der Fahrgast - zu überteuerten Preisen. Gleichzeitig erwarten die Aktionäre von den Verkehrsbetrieben eine Gewinnmarge bzw. Dividende... Und da stellt sich die Frage: Wie soll eine Versorgungseinrichtung, die kaputt gespart worden ist, Gewinn erzielen? Das ist vollkommen unmöglich und unsinnig, ähnlich wie bei Krankenhäusern, ist aber deutsche Normalität, so auch im jüngsten Rechenschaftsbericht der NIAG, wo genau diese Gewinnerwartung an den ländlichen Linienverkehr geäußert wird. Während wir allesamt Steuern zum Unterhalt der Straßen und der Verkehrspolizei zahlen, erwartet man von den Fahrgästen, dass sie die Last des SPNV allein tragen. Das ist in etwa so, als wenn zukünftig nur noch die Kranken und Alten in die Krankenversicherung einzahlen, nicht aber die Gesunden und Jungen... das ist der eigentliche Skandal hinter dem Skandal. Damit liegt der politische Spielball eindeutig in Berlin, bei unseren unfähigen Bundesverkehrsministern und beim Finanzminister. Wenn Sie die meinen mit Ihrem Satz: Die Politik tut nichts, dann gebe ich Ihnen vollkommen recht. Unsere Verkehrspolitik ist deutschlandweit unsozial, und das seit Jahrzehnten, und der "Niederrheiner" badet es aus. Deutliche Worte gewiss. Aber wie wollen wir dem Skandal beikommen, wenn wir nicht versuchen, seine Hintergründe auszuleuchten?
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Aster
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