Demokratie hört nicht am Werkstor auf

Der Betriebsrat mauschelt mit dem Chef, die Mitarbeiterinnen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, wenn sie nur mit Gewerkschaftsvertretern reden.

11.02.14 –

Der Betriebsrat mauschelt mit dem Chef, die Mitarbeiterinnen haben Angst um ihren Arbeitsplatz, wenn sie nur mit Gewerkschaftsvertretern reden.



Kein Wunder, dass die zum Beispiel dies zu hören bekamen: „Wir haben dann nur Stress, wir wählen gar nicht.“ Eine Szene aus einem Drama über zügellosen Kapitalismus? Leider nein, sondern bittere Realität und Alltag in vielen deutschen Reinigungsunternehmen.

Amazon hat vor einem Jahr gewählt

Auch im linksrheinischen Teil des Kreises Wesel. „Aber Demokratie“, sagt Karin Wolk, „hört nicht am Werkstor auf.“ Weshalb die Vorsitzende des DGB-Ortsverbandes für Rheinberg, Alpen, Xanten und Sonsbeck und ihr Team in diesen Tagen die Werbetrommel rühren. Zwischen dem 1. März und dem 31. Mai werden in den Betrieben die neuen Betriebsräte gewählt. Der DGB appelliert an alle Arbeitnehmer, sich für einen starken Betriebsrat auch wirklich stark zu machen. Je größer die Wahlbeteiligung ist, sagt DGB-Organisationssekretär Mark Rosendahl, desto besser das Standing der Arbeitnehmervertretung gegenüber dem Arbeitgeber. Alle Regeln rund um die Betriebsratswahl, ergänzt Karin Wolk, seien keine Großmut des Arbeitgebers, sondern gesetzlich verankert. Der DGB möchte nicht nur Mut machen, zur Wahl zu gehen, sondern auch den Anstoß geben, selbst für den Betriebsrat zu kandidieren.

Voraussetzung, um einen Betriebsrat zu gründen, sind mindestens fünf Mitarbeiter in einem Unternehmen. Wie viele Betriebsräte es im Zuständigkeitsgebiet des DGB-Ortsverbandes Rheinberg-Alpen-Xanten-Sonsbeck gibt, können Rosendahl und Karin Wolk nicht sagen, hier fehlten noch die Zahlen. Sicher sei aber, dass gerade in großen Ketten im Einzelhandel die Betriebsratslage mehr als desolat sei.

Was es bedeuten kann, einen Betriebsrat zu haben oder nicht zu haben, kann jeder am Beispiel Amazon sehen. In einem Jahr, so Betriebsratsvorsitzender Tim Schmidt, habe das Gremium bereits sehr viel erreicht, Betriebsvereinbarungen unter anderen zu Pausenregelungen, Arbeitszeitkonten und Schichtplänen abgeschlossen. Zurzeit gehe es um Lohngrundsätze, was im Klartext eine Stufe unter dem Tarifvertrag ist. Bekanntlich ist Amazon als Arbeitgeber (noch) nicht von der Verdi-Idee entzückt, den Einzelhandelstarifvertrag zu übernehmen. Da der Amazon-Betriebsrat noch nicht mal ein Jahr alt ist, wird dort nicht gewählt, sondern erst turnusgemäß 2018.

30 Kandidaten bei der Solvay

Seit mehr als 100 Jahren gibt es die Solvay in Rheinberg, Jürgen Möbius und Jürgen Ulrich stehen an der Spitze des 13-köpfigen Betriebsrates. 30 Kandidaten stehen auf der Liste für die Wahl, die bei der Solvay am 4. April stattfindet. Hört sich viel an, ist es aber nicht, sagen Möbius und Ulrich. Denn erstens brauche ein Betriebsrat Ersatzmitglieder, da nicht alle Vollmitglieder bei jeder Sitzung anwesend seien, und zweitens stehe die Solvay vor einem Joint-Venture mit Ineos. Wenn die EU-Kartellbehörden die Pläne genehmigen, dann sei geplant, zwei 11-er-Gremien einzurichten. Und dann seien 30 Kandidaten wirklich nicht mehr sehr viel.

Sonja Reick und Ute Fischer sind nicht nur im Vorstand des DGB-Ortsverbandes aktiv, sondern auch im Betriebsrat einer Kamp-Lintforter Reinigungsfirma. Was ihnen aber nichts nutze, denn als einfache Mitglieder würden sie nur mitbekommen, wie der Betriebsrat auf der Seiten des Chefs stehe, mauschele und nicht die Lobby der Beschäftigten sei. Eine Aufgabe für Verdi, sagt Karin Wolk, denn gerade Reinigungskräfte hätten sonst keine Lobby.

Lutz Wienen arbeitet bei der Esco und kandidiert zum ersten Mal für den Betriebsrat. Die Arbeit ist ihm durchaus vertraut, als gewerkschaftlicher Vertrauensmann hat er bereits viele Gespräche mit Mitarbeitern geführt, in Seminaren Basiswissen erworben, und jetzt, mit 40, sei er der Meinung, genügend Erfahrung für dieses wichtige Amt zu haben. ***** <field index="image"> *** 21 *****

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