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24.06.23 –
Ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP setzte sich bei der Abstimmung über die Verkehrsführung in der Innenstadt mit seinem Vorschlag durch, die Durchfahrt für den motorisierten Verkehr lediglich am Wochenende zu sperren. Lokalredakteur Uwe Plien bezeichnet den Kompromiss in der Rheinischen Post vom 23.06.23 als "schwach und wenig befriedigend (...), der die Stadt in der Sache nicht wirklich weiterbringt."
Diese Einschätzung vertrat auch der stellvertretende Sprecher der GRÜNEN Fraktion, Jürgen Bartsch, in seiner Stellungnahme in der Ratssitzung am 21.06. Er begründete den von der GRÜNEN Fraktion eingebrachten Antrag, den kompletten motorisierten Verkehr (bis auf den Bürgerbus) komplett aus der Innenstadt für eine Testphase von einem Jahr fernzuhalten, der sich bis auf die Testphase mit dem Vorschlag der Verwaltung deckte, wie folgt:
"Immer wieder ist sie in den vergangenen Jahrzehnten aufgetaucht: Die Frage, wie der Verkehr in der Rheinberger Innenstadt geregelt werden soll. Und immer wieder hat sich die Diskussion rasch auf die Frage fokussiert, ob die Durchfahrt an Holz- und Fischmarkt geöffnet bleiben soll oder besser geschlossen würde. Das trieb stets verlässlich die Emotionen hoch, von der vermeintlichen „Sperrung der Innenstadt“ war dann zu hören und zu lesen. Dieses „Framing“ war überaus wirkungsvoll, und so blieb bisher alles beim Alten.
Der letzte Versuch im Jahr 2019 scheiterte an noch ungeklärten Fragen zur Parksituation und an einer fehlenden Bürgerbeteiligung. Es war die Grüne Fraktion, die damals erfolgreich beantragte, den schon gefassten Beschluss zurückzuholen, Nachbesserungen zu beauftragen und die Entscheidung auf die Zeit nach der Kommunalwahl zu verschieben. Im vergangenen Jahr hat es endlich die Bürgerversammlung zur Verkehrsführung gegeben.
Ich könnte nun auf Zahlen eingehen, auf verschiedene favorisierte Varianten, auf den weiterhin hohen Durchgangsverkehr, das ausreichende oder sogar gute Parkplatzangebot. Das alles würde jedoch kaum die Gegner einer Sperrung der Durchfahrt überzeugen und beruhigen. Es sind die befürchteten Nachteile, die die Argumentation und die Gefühle dominieren.
Wie sehen die Argumentationslinien beider Seiten, Gegner und Befürworter, aus? Die Ablehnung artikuliert sich insbesondere durch den Einzelhandel. Viele Geschäftsleute betonen in einem Schreiben das derzeit schwierige wirtschaftliche Umfeld, Energiepreiserhöhungen, Inflation, gestörte Lieferketten, Personalkostensteigerungen. Bei einer Sperrung der Durchfahrt befürchten sie Absatzeinbußen. Die Befürworter einer Durchfahrtsperrung verweisen hingegen darauf, dass sich der Blick auf die Innenstädte bei KonsumentInnen speziell und bei BürgerInnen allgemein gewandelt hat. Erwartet wird eine höhere Aufenthaltsqualität und eine Abkehr von der Autozentriertheit vergangener Jahrzehnte.
Die Grüne Fraktion hat sich über Jahre intensiv mit den verschiedenen Aspekten und auch Besonderheiten des Verkehrs in der Rheinberger Innenstadt beschäftigt. Wir sehen die Problematik der Geschäftswelt, bewerten den Vorschlag zur Sperrung der kurzen Strecke am Alten Rathaus aber völlig anders. Wir sehen darin eine große Chance, die Innenstadt attraktiver zu machen, den KonsumentInnen ein sorgloses Flanieren zu ermöglichen, den GaststättenbesucherInnen ein von Lärm ungetrübtes Außengastronomie-Erlebnis zu gewähren, Kindern ein sorgloses und ungefährliches Herumtollen auch zwischen den beiden fußläufigen Bereichen Gelderstraße und Marktplatz zu garantieren. Und wenn nun aufgrund höherer Aufenthaltsqualität und Sicherheit mehr Menschen in die Innenstadt gezogen würden – ja dann wäre doch auch die Geschäftswelt der Gewinner bei dieser Maßnahme.
Warum so verzagt, warum so mutlos, möchte ich in Richtung Einzelhändler fragen? Sie klagen, sicher zurecht, über die aktuellen wirtschaftlichen Probleme. Gerade deswegen aber wäre es doch mehr als naheliegend, sich nicht an alte Konzepte zu klammern. Denn die jetzt existenten Schwierigkeiten resultieren ja nicht aus einer geänderten Verkehrsführung, die gibt es ja noch gar nicht. Dafür muss es also andere Gründe geben. Und wer meint, das Wohl und Wehe hinge doch wesentlich am Auto, das überall fahren können sollte, der müsste eigentlich auch für eine Reaktivierung der Gelderstraße für PKW plädieren. Ich denke, dass will niemand mehr.
Und ich wiederhole, was ich schon mehrfach für unsere Fraktion betont habe: Ein durchfahrendes Fahrzeug an Holz- und Fischmarkt bringt keinen einzigen Cent Umsatz. Das geschieht nur dann, wenn dieses Fahrzeug parkt. Und dafür gibt es in Rheinberg genügend Plätze. Nun haben ja CDU, SPD und FDP eine eigene Lösung präsentiert. Diese ist unseres Erachtens ein fauler Kompromiss, ja eigentlich noch nicht einmal das, weil sie die Sperrzeiten auf das Wochenende konzentrieren, wenn und damit es nur wenige bemerken. Die Hauptfrequenzzeiten in der Innenstadt sind nun mal die Wochentage, auch und vor allem für diese müsste eine Lösung her. Doch davor drückt sich das Dreierbündnis. Das sieht nach einer homöopathischen Maßnahme aus, als möglichst hochverdünnte und verwässerte Lösung. Nur hat Homöopathie in der Verkehrspolitik wirklich nichts zu suchen.
Ich resümiere: Es spricht eine Menge dafür, diese paar Meter entlang des Alten Rathauses – das demnächst auch noch eine deutliche Aufwertung erfahren wird und ein zusätzlicher Frequenzbringer werden könnte – für den Durchgangsverkehr zu sperren. Wir möchten aber auch die Bedenken aufgreifen und beantragen daher, den Erfolg nach einem Jahr zu überprüfen, wie es auch schon mal aus Reihen der Einzelhändler artikuliert worden ist. Wichtig ist uns ebenfalls die Verbesserung des Parkleitsystems, die zwingend zum einjährigen Testlauf gehört.
Mit einem sehr bedenkenswerten Satz von Eckart von Hirschhausen möchte ich schließen: „Den Status Quo zu verteidigen, ist der sicherste Weg, ihn zu verlieren.“ Also: Lassen wir alle Verzagtheit mal beiseite, sehen wir in der vorgeschlagenen Durchfahrtsperrung nicht das Risiko, sondern eine Chance für eine Stadtentwicklung mit mehr Qualität. Packen wir es endlich an!"
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