Haushaltsrede 1999

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anläßlich der Verabschiedung des Haushaltes in der Ratssitzung am 23. März 1999

Frau Bürgermeisterin, Herr Kämmerer, meine Damen und Herren !


Rheinberg – ein Wintermärchen
(nach H. Heine)

Im traurigen Monat Dezember war’s
die Tage wurden trüber,
der Kämmerer brachte den Haushalt ein,
es blieben gar Euro noch über.

Und als ich die neuen Zahlen vernahm,
da ward mir ganz seltsam zumute;
könnt‘ es denn sein, so dachte ich mir,
der Segen kommt allen zugute?

Vorbei die Weisen vom Jammertal,
von Geldern, die bald zerronnen,
stattdessen schwelgt die Politikerschar
verkläret in Haushaltswonnen.

Entfernt klingt des Kämm’rers Entsagungslied,
die Mahnung vom Ende des Himmels,
Politik möchte wieder Gestaltungsraum
statt roten Zahlengewimmels!

Wir kennen die Weise, den Haushaltstext,
wir kennen auch den Herrn Verfasser,
der Kämmerer hatte so unrecht nicht,
wenn er predigte öffentlich Wasser.

Ein neues Lied, ein bess’res Lied
lässt sich vorläufig dichten,
mit unverhofftem Geld kann man
viel Nützliches verrichten.

Ich darf an dieser Stelle den lyrischen Ausflug unterbrechen und zum prosaischen Teil meiner Haushaltsrede kommen. In der Tat ist dieser Haushalt ein Sonder- oder besser ein ausgesprochener Glücksfall. Auf rund 13 Millionen wuchs schließlich durch unerwartete Umstände der Überschuss an, rund 19 Millionen lagen schließlich in der Rücklage. Welch eine Steilvorlage für die Politiker – und das auch noch im Wahljahr! Wer geriete da nicht in Versuchung, die jeweilige Klientel mit entsprechenden Geschenken zu bedenken?! Tatsächlich ist der Verlockung nicht ganz widerstanden worden, doch im Großen und Ganzen wurde, so denke ich, Augenmaß bewahrt.

Dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, darauf hat der Kämmerer an verschiedenen Stellen immer wieder verwiesen. Das strukturelle Defizit von 5 – 6 Millionen DM pro Jahr ist keinesfalls überwunden. Dies macht weitere Sparbemühungen unabdingbar. Außerdem ist die Rücklagenentnahme in diesem Jahr erheblich gestiegen. Ich muss gestehen, dass ich recht erschrocken war, als ich die Auflistung der in den Ausschüssen und durch die Verwaltung vorgenommenen Veränderungen zugestellt bekam. Unter dem Strich hatte sich die Rücklagenentnahme zum Ausgleich des Verwaltungshaushalts von im Haushalt vorgesehenen rund 6 Millionen auf gut 9,6 Millionen DM aufsummiert. Konnte es denn sein, dass die Politik unverantwortlicherweise 3,6 Millionen DM in den Fachausschüssen verbraten hatte – um ein Wort des neuen Kanzlers zu verwenden? Ich habe daraufhin noch einmal die originär von den Fraktionen vorgeschlagenen und in den Haushaltsplan übernommenen Neuansätze und Aufstockungen durchgesehen und bin, zu meiner Erleichterung, auf weniger als 200.000 DM gekommen – inklusive der Personalnachbesetzungen. Dies verdeutlicht, wie wenig tatsächlich von den Fraktionen trotz der günstigen Haushaltslage draufgesattelt wurde, wie viel an unabänderlichen, durch Sach- und Finanzzwänge verursachten Haushaltsbewegungen die Bilanzen um Millionenbeträge verändern können.

Wir wollten im Verwaltungshaushalt, um mit der Betrachtung einzelner Haushaltstitel zu beginnen, neben anderen kleineren Beträgen z.B. für die Arbeit des Ausländerbeirats oder die Pflege der Städtepartnerschaften, die in den anderen Fraktionen ähnlich vorberaten worden waren, 3000 DM speziell für den Breitensport vorsehen. Dem haben sich die beiden anderen Fraktionen dankenswerterweise angeschlossen. Der Forderung der CDU nach zusätzlichen 50.000 DM für den Straßenerhalt können wir in diesem Jahr zustimmen, ebenso dem SPD-Antrag für einen Härtefonds. Letzterer ist zwar nicht unproblematisch, wie wir an anderer Stelle schon deutlich gemacht haben, doch sind insbesondere im Bereich der Reichelsiedlung durch die exorbitant gestiegenen Müllgebühren soziale Härten entstanden, denen durch den Härtefonds die Spitze genommen werden kann. Dem stimmen wir zu. Vergessen werden sollte aber nicht, dass es im Wesentlichen die völlig verfehlte Müllpolitik von SPD und CDU war und ist, die diese Härten verursacht hat.

Überflüssig fanden wir hingegen den Antrag der CDU, einen Wettbewerb für die Bebauung neben dem Alten Rathaus für mehr als 60.000 DM auszuloben. Es liegen bereits 9 Entwürfe vor, mehrere davon mit Modellen veranschaulicht. Das sollte als Entscheidungsgrundlage ausreichen. Möglich auch, dass mit diesem Antrag vorrangig die CDU-Mittelstandsvereinigung zufriedengestellt werden sollte. Deren Vorsitzender sorgte kürzlich ja noch in ganz anderer Weise für Aufsehen, nach dem Motto:
Der May ist gekommen, keilt gegen Lehrer aus! Dieses zur Unzeit vorgetragene Lied dürfte insbesondere der CDU-Kandidatin für das Bürgermeisteramt schrill in den Ohren geklungen haben. Vielleicht handelte es sich bei der Aussage von Herrn May einfach nur um einen Reflex der alten CDU-Überzeugung, dass an die Spitze der Verwaltung ein Jurist gehöre. Dem Manne kann in diesem Wahlherbst geholfen werden!

Zurück zum Haushalt. Deutliche Akzente will unsere Fraktion im Vermögenshaushalt und Personalbereich setzen. Die Sanierung des Toilettengebäudes der Grundschule Orsoy sollte, obwohl ursprünglich für dieses Jahr vorgesehen, erneut verschoben werden. Das konnten wir erfolgreich verhindern. Die sanitären Zustände lassen eine weitere Verzögerung nicht zu.

Auch am Stadthaus, dem nervus rerum und Prunkstück der Stadt, ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Rheinberg kann sich glücklich schätzen, ein solch multifunktionales und von Besuchern weit über die Stadt hinaus geschätztes Gebäude zu haben. Um seine Attraktivität zu bewahren, muss nun aber, nach inzwischen fast 20-jähriger Nutzung, das innere und äußere Erscheinungsbild aufpoliert sowie die Funktionalität der Stadthalle aufrechterhalten werden. Die technische Ausstattung ist für viele Aufführungen und Veranstaltungen inzwischen veraltet. Zur Modernisierung der technischen Ausrüstung werden nun auf Vorschlag unserer Fraktion 80.000 DM im Haushalt zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Im Argen liegt auch die städtische Grünpflege. Schon in den letztjährigen Haushaltsberatungen war auf Antrag unserer Fraktion eine Aufstockung des Personals im Grünpflegebereich um 1 Stelle beschlossen worden. Durch unvorhersehbare Umstände ist dieses Ziel nicht erreicht worden. Nun wird mit 2 zusätzlichen qualifizierten Kräften, für die wir uns eingesetzt haben, ein erneuter Anlauf genommen, das dürftige Erscheinungsbild der städtischen Grünanlagen etwas freundlicher zu gestalten.

Ebenso wichtig ist uns die Funktionsfähigkeit des ZUFF. Seit einem halben Jahr muss diese städtische Jugendeinrichtung nach der Versetzung des Leiters auf eine volle Arbeitskraft verzichten. Immer noch werden im ZUFF erstaunlich vielfältige Angebote gemacht und von den Jugendlichen auch genutzt: Davon konnten wir uns kürzlich noch bei einem Ortstermin überzeugen. Dennoch ist zu befürchten, dass die Bandbreite der Aktivitäten und der Elan durch den Personalmangel leiden werden. Wir setzen uns nachdrücklich für die Nachbesetzung der Stelle ein, zudem sollte eine der beiden Stellen mit einer Frau besetzt werden. Die endgültige Entscheidung, so haben wir es mit der SPD vereinbart, bleibt dem JHA vorbehalten. Nach den Signalen von Seiten der Sozialdemokraten sind wir zuversichtlich, im Mai den alten Betreuungsstandard für Jugendliche wiederherstellen zu können.

Unter dem Strich können wir mit dem jetzt zu verabschiedenden Haushaltsplan zufrieden sein. Mit unseren Personalvorschlägen soll eine Trendwende im personalschwachen Baubetriebshof und vor der Sommerpause auch im ZUFF eingeleitet werden, im Vermögenshaushalt haben wir die Verzögerung einer dringlichen Maßnahme verhindern und die Verankerung einer rentierlichen investiven Maßnahme durchsetzen können. Dies dokumentiert, dass sich unsere Fraktion weiterhin von dem Grundsatz "Haushaltsdisziplin mit Augenmaß" leiten lässt.

Wir stimmen heute also dem Haushalt zu, wie wir es übrigens auch in den vergangenen Jahren getan haben. Die Tatsache, dass wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten in dieser Legislaturperiode alle Haushalte geschultert haben, sollte an dieser Stelle durchaus einmal Erwähnung finden.

Soviel im Zeitraffer zum Haushalt. Bedanken möchte ich mich bei der Verwaltung für die ausgezeichnete Vorbereitung der Beratungen und die sachdienlichen Auskünfte bei Rückfragen sowie bei der SPD für das gute und sachorientierte Verhandlungsklima. Mein besonderer Dank gilt jedoch dem Kämmerer, der zum letzten Mal den Haushaltsplan entworfen und vorgelegt hat. So sehr ich die Gründe für sein Ausscheiden auch nachvollziehen kann: Ein gewisses Bedauern will ich nicht verhehlen. Nicht nur, dass wir stets kompetent und zunehmend optisch ansprechend die Haushaltspläne präsentiert bekamen, stets hatten wir im Kämmerer auch einen immer ansprechbaren und mit Rat und Tat zur Seite stehenden Fachmann. Schließlich schwingt ein leises Bedauern auch dabei mit, dass ich eine weitere Idee für eine Haushaltsrede jetzt so nicht mehr werde realisieren können, in der ich den Kämmerer nach Ian Flemings James Bond-Vorlage als Haushaltsagent 00-Hecks – mit der Lizenz zum Sparen präsentieren wollte. Aber das sollte der geringste Grund sein.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal auf Heine und das Rheinberger Wintermärchen vom ausgeglichenen Haushalt zurückkommen:

Ein neues Lied, ein bess’res Lied,
es klingt wie Flöten und Geigen.
Das Miserere ist - vorläufig – vorbei,
die Glocken des Defizits schweigen.

Gleich, ob des Kämmerers Segen dabei,
der Haushalt wird gültig nicht minder.
Es lebe Steuernachzahlung und Haushaltsrest
und zukünftige Erbschaftserfinder.

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