Haushaltsrede 2002

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anläßlich der Verabschiedung des Haushaltes in der Ratssitzung am 19. März 2002


Frau Bürgermeisterin, Herr Kämmerer, meine Damen und Herren !

Aufgrund verspäteter Warnung vor einem Orkan wurde kürzlich der Offenbacher Chefmeteorologe Uwe Wesp seines Pressesprecherpostens enthoben. Ein solches Schicksal könnte den Sprecher unserer haushaltsmeteorologischen Fachabteilung, Herrn Mennicken, nicht ereilen, denn eines kann man ihm wirklich nicht nachsagen: Dass er nicht hinreichend vor den schweren Wettern warnen würde, die unseren städtischen Finanzen drohen.

Zur klimatischen Analyse: Zum Jahresende stellt sich über Rheinbergs Haushalt eine typische Großwetterlage ein. Schon im Spätherbst dräut Ungemach am Horizont, in der Pekunosphäre beginnt es zu brodeln, das Bar-ometer fällt ins Uferlose, schwere Wolken, Schuldentürmen gleich, verdüstern den Blick in die Zukunft, erleuchtende Blitze zucken über dem Rat, ein mahnendes Donnerwetter prasselt herab und pünktlich zur Einbringung des Haushalts ist es dann da: Tief Theo (dank Gleichberechtigung dürfen Tiefs ja inzwischen auch männliche Vornamen annehmen). Dieses Mal erreichte es gar Sturmstärke, die ja bekanntlich, anders als bei den Offenbacher Kollegen, die die Windstärke in „Beaufort“ (von 0 – 12) messen, in der Haushaltswetterkunde mit „Mennicken“ ausgedrückt wird. Käme also 12 Beaufort einem Orkan gleich, so bedeutete eine 12 auf der Mennicken-Skala den absoluten Haushalts-GAU mit der Folge schwerster fiskalischer Verwüstungen.

Die wurden zwar nicht ganz erreicht, doch schüttelten die Sturmstärke erreichenden Prognosen die Ratsmitglieder mächtig durch und raubten ihnen fast Luft und Sprache. Dennoch fiel die Reaktion der Ratsfraktionen sehr unterschiedlich aus. Die CDU schaltete ihre Ohren einfach auf „Durchzug“, wollte allenfalls ein „laues Lüftchen“ wahrnehmen und tat so, als könne ihre Haushaltsidylle kein Wetterchen trüben. Ähnlich wetterunkundig und wahrnehmungsresistent der Vertreter der FDP, der mit Sätzen wie „Was wollt ihr denn? Es ist doch 18 Grad“ oder „Ab Windstärke 18 fängt der Spaß erst an“ eine zwanghafte Fixierung auf die Zahl 18 erkennen ließ – keiner weiß, woher er das hat.

Wetterwendisch gab sich dagegen die SPD. Im Vorjahr noch, trotz Tief Theo, hatte man sich, gemeinsam mit der CDU, ganz auf eitel Sonnenschein eingerichtet und die sommerlichen Spendierhosen angezogen. Dieses Mal jedoch sah man rot, blickte mit sorgenvoller Miene auf die Haushaltsturbulenzen und raffte sich endlich zu Gegenmaßnahmen auf.

Die grüne Fraktion schließlich, mit 2 Hobby-Meteorologen in ihren Reihen und auch sonst mit wetterfestem Personal ausgestattet, wusste zwar, dass nach aller Erfahrung Tief Theo nach dem Jahresabschluss und den ersten Wochen des neuen Jahres verwirbeln und Einiges an Wucht und Bedrohungspotenzial verlieren würde, doch wollte man sicher gehen und aktiv in das fiskalisch-thermodynamische System eingreifen. Als beste Methode zur Beruhigung des kameralen Klimas gilt in einschlägigen Kreisen das „Impfen“ eines Haushaltstiefs mit maßvollen Ausgaben und Einsparungen. Waren diese Maßnahmen erfolgreich, konnte die fiskalische Großwetterlage auf ein frühlingshaftes Hoch umgepolt werden?

Halten wir zunächst fest: Sowohl im Verwaltungs- als auch im Vermögenshaushalt werden neue Höchstwerte erreicht, die Rücklagenentnahme für den Ausgleich des Verwaltungshaushalts wird nach den Prognosen von 0 auf fast 3 Millionen Euro steigen, die Nettokreditaufnahme knapp unter der vom Kämmerer vorgegebenen Marke von 2,5 Millionen Euro bleiben, der Schuldenstand pro Einwohner damit auf 592 Euro erhöht.

Ist damit die Luft raus aus den Mahnungen und Warnungen des Kämmerers, hat die Schönwetterkoalition aus CDU und FDP gar Recht behalten mit ihrer Ignorierung der realen Witterungsbedingungen?

Mitnichten! Wenn es jetzt nicht zu einer Überschreitung der Kreditaufnahme von 2,5 Millionen Euro kommt, dann ist dies maßgebliches Verdienst von SPD und bündnisgrüner Fraktion, die jeweils Listen mit Einsparvorschlägen eingebracht haben und so den noch vor dem Hauptausschuss drohenden Kreditbedarf von über 3,6 Millionen Euro entscheidend senken konnten. Die CDU hat dazu nichts Eigenständiges beigetragen, keine eigenen Einsparvorschläge präsentiert, sondern sich nur wahlweise den Vorgaben von SPD oder Grünen angeschlossen. Das ist für die Mehrheitsfraktion CDU dürftig, das ist schwach. Der von Herrn Feltes immer wieder markig beschworene politische Gestaltungsauftrag, den die CDU habe, erschöpft sich nämlich keinesfalls im Projektieren netter baulicher Lustbarkeiten wie ehedem das RIZ oder den Orsoyer Schlossgarten und auch nicht in kleinkariertem Klientelismus, wie ihn uns die CDU mit einem im Hauptausschuss vorgelegten Zuschussantrag demonstrierte, sondern im Wahrnehmen auch des politischen Pflichtprogramms, und das beinhaltet nun mal auch und gerade den sorgsamen Umgang mit den städtischen Finanzen.

Dass zur Erklärung einer Haushaltsmalaise gern auf die übergeordneten politischen Ebenen verwiesen wird, zumal, wenn dort die andere politische Couleur das Sagen hat, ist eine beliebte Ablenkungsmethode und Herr Feltes hat sich ihrer im Hauptausschuss auch kräftig bedient. Doch was soll das? Natürlich kann man über die Belastungen unseres Haushaltes durch diverse Umlagen, den Fonds Deutsche Einheit, steigende Solidarbeiträge, sinkende Schlüsselzuweisungen und dergleichen mehr klagen. Wollte die CDU dieses komplexe Geflecht finanzieller Zuweisungen und Abgaben abschaffen, würde sie Hand anlegen an den Rheinischen Kapitalismus, wie er sich in Deutschland etabliert hat. Will die CDU das? Unbestritten gibt es Wildwuchs, müssen die kommunalen Finanzen auf eine solide Basis mit verlässlichen Einnahmequellen gestellt werden, aber das ist nicht Gegenstand unserer Haushaltsberatungen. Wir haben hier in Rheinberg erst einmal unser eigenes Haus zu bestellen. An den Ergebnissen müssen wir uns in erster Linie messen lassen.

Wir haben versucht, unseren Teil zu einem soliden Haushalt beizutragen, und ich denke, er kann sich durchaus sehen lassen. Wann hätte es in den vergangenen Jahren denn eine Art Wettbewerb nicht etwa um die Verteilung größtmöglicher Wohltaten, sondern um die Einsparpotenziale gegeben? Diese Umkehrung bisheriger Haushaltsberatungslogiken entscheidend angestoßen zu haben, halte ich, nicht ohne Genugtuung, unserer Fraktion zugute. Die SPD hat nachgelegt, hat noch weitere Einsparmöglichkeiten ausgemacht, und das ist auch gut so, wenngleich wir nicht in allen Punkten folgen konnten.

Natürlich ist Sparen kein Selbstzweck, muss in allen Fällen gut begründet sein, warum eine Maßnahme verschoben oder gar ganz gestrichen werden kann. Bei der CDU war von solch ernsthaftem Abwägen wenig zu spüren. Ich will dafür beispielhaft zwei Projekte anführen.

Beispiel 1: Mehrzweckraum/Bürgerbüro. Rund 170.000 Euro sind dafür im Haushalt veranschlagt. Ein Teil davon ist u.E. überflüssige Geldausgabe. Der Mehrzweckraum müsste nicht verlagert werden, und wenn es denn unbedingt sein soll, muss er nicht notwendig im Stadthaus neu eingerichtet werden. Wir haben in der Alten Kellnerei bereits eine angemessene Räumlichkeit für Veranstaltungen, für die die Stadthalle zu groß wäre. Neben dieser jetzt einen neuen Multifunktionsraum zu schaffen, bringt unweigerlich Nutzungskonflikte aufgrund problematischer akustischer Dämmung mit sich, um nur einen wichtigen Aspekt zu nennen. Und primär für die Nutzung als zusätzlicher Ausstellungsraum ist uns dieses Projekt zu teuer. Nein, entweder sollten wir den Mehrzweckraum an der bisherigen Stelle belassen oder bereits Vorhandenes nutzen.

Das sage ich auch in Richtung der SPD, die zu erkennen gegeben hat, dass sie, wenn die Verlagerung denn schon kommt, einen neuen Mehrzweckraum im Stadthaus für unentbehrlich hält. Und auch ihrem Projekt eines weiteren Kulturhauses im Konvikt können wir nicht zustimmen. Das Gebäude liegt nun mal in einem der verborgensten Winkel Rheinbergs. Hier neben der Bücherei auch noch VHS und das publikumsintensive Kulturamt unterzubringen, wäre wohl kaum sachdienlich. Und nicht zuletzt sollte auch der Wunsch der Büchereileitung nach einem zentraleren Standort Berücksichtigung finden.

Teilprojekt Bürgerbüro: Gewiss kann man der Verwaltung nicht vorhalten, untätig in Sachen „Bürgerfreundlichkeit“ gewesen zu sein. Das rollende Bürgerbüro ist dafür Beleg. Gewiss muss sich auch etwas beim Einwohnermeldeamt tun. Die Crux bei der CDU ist nur, dass sie die Dinge über’s Knie brechen will. In der Stadt stehen hochkarätige Projekte, nämlich Underbergturm und Besucherzentrum, vor einer, hoffentlich baldigen, Entscheidung. Dadurch ergäben sich möglicherweise Optionen für die Bibliothek, die VHS, aber auch das Bürgerbüro. Die weiteren Entwicklungen in diesem Jahr sollten doch vernünftigerweise abgewartet werden, bevor eine nicht mehr rückgängig zu machende Investition getätigt wird, die sich hinterher als suboptimal, wie das so nett neudeutsch heißt, herausstellt.

Apropos Großprojekte. Die Bürgermeisterin hat, der Presse zufolge, unsere Forderung nach mehr Tempo in Sachen „Besucherzentrum“ als Einzelmeinung abgetan. Träfe das zu, ließe sich daraus nur der Schluss ziehen, dass die Bürgermeisterin kein Tempo in die Sache bringen möchte. Dann allerdings sähen wir ein Projekt mit einer gar nicht zu überschätzenden Bedeutung für die Innenstadtentwicklung in keinen guten Händen. Auch wenn frau meint, sich von anderen Parteien als der eigenen distanzieren zu müssen, schadete das der bisher gemeinsamen Linie von Rat und Verwaltung.

Beispiel 2: Baubetriebshof. Die CDU hatte im vergangenen Jahr eine Debatte über die zukünftige Betriebsform angestoßen. Dies war unseres Erachtens richtig und wichtig. Eingelebte Strukturen gehören in der Tat auf den Prüfstand, müssen abgeklopft werden auf ihre Brauchbarkeit für die Zukunft. Aus der Überprüfung allein ergibt sich jedoch noch kein Veränderungsbedarf. Und der steht in Sachen BBH sehr in Frage. Denn selten zuvor habe ich die Verwaltung so einmütig und quer durch die Dezernate für die Beibehaltung des Regiebetriebs in einer erweiterten Form votieren gehört und gelesen. Unsere Fraktion hat diese Argumente ernst genommen und sich schließlich für die Erhaltung der Regiebetriebsform entschieden.

Anders die CDU. Einflussreiche Kreise in der Partei hatten anfänglich sogar eine Privatisierung auf der Agenda, der jetzt beschlossene Eigenbetrieb muss wohl als innerparteilicher Kompromiss gedeutet werden. Doch das Thema ist zu wichtig, um in einem Formelkompromiss zu enden. Ein Eigenbetrieb muss sich rechtfertigen und rechnen lassen. Hier hapert’s leider gewaltig. Was für einen Nutzen versprechen uns CDU und FDP? Die Arbeitsproduktivität der Mitarbeiter soll entscheidend gesteigert werden. Wie soll das funktionieren? Nur durch die Änderung der Betriebsform, die alle Arbeiter dermaßen beglückt, dass sie sich gleich doppelt ins Zeug legen? Oder ist es der hire-and-fire-Hintergedanke, der eiserne Arbeitsdisziplin abverlangt? Sind nicht vielmehr die strukturellen und personellen Rahmenbedingungen die entscheidende Einflussgröße für den Arbeitseinsatz, z.B. dass in Rheinberg doppelt so viel Grünfläche pro Mitarbeiter zu pflegen ist wie in Neukirchen-Vluyn oder der langjährige hohe Krankenstand?

Nein, der motivationale Aspekt überzeugt genauso wenig wie der finanzielle. Da hat die CDU auch gleich vorgebaut und eine mindestens 5-jährige Durststrecke in Aussicht gestellt. Während dieser Zeit wird der Eigenbetrieb voraussichtlich nur zusätzliche Kosten verursachen. Warum dann ein Eigenbetrieb? In seiner Begründung schlug Herr Becker für die FDP besonders tolle logische Volten von geradezu möllemanneskem Ausmaß. Viel mehr Privatisierung müsse sein, so sein Credo, gleichzeitig aber könne der reformierte BBH noch mehr bisher privat vergebene Aufgabenbereiche an sich ziehen. Ja was denn nun, rinn inne Kartoffeln oder raus?

In der Debatte waren wir gespannt auf die Reaktion der Bürgermeisterin. Schließlich war die Verwaltungsmeinung im letzten Jahr klar gegen den Eigenbetrieb gerichtet. Zu unserem Bedauern hat die Bürgermeisterin hier Souveränität schmerzlich vermissen lassen. Zwei Deutungen sind nach meiner Auffassung nur möglich: Haben Sie, Frau Bürgermeisterin, nun der Verwaltung einen Kotau vor der CDU-Fraktion abgenötigt und sind damit ihrer Verwaltung in den Rücken gefallen? Oder haben Sie die Verwaltung nicht in den Verdacht gebracht, sich vorher nicht ausreichend sachkundig gemacht zu haben, sodass man sich nach der CDU-internen Expertenanhörung eines Besseren belehren lassen musste? Beide Denkmöglichkeiten hinterlassen einen schalen Beigeschmack.

Vom parlamentarischen Behandlungsprozess hätten wir erwartet, dass er, wenn schon die Ausführungen in der Baubetriebshofkommission nicht als ausreichend angesehen wurden, Gelegenheit geschaffen hätte, die Alternativen im Fachausschuss noch einmal anhand praktischer Beispiele von anderen Kommunen darzustellen und abzuwägen. Herr Feltes hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass er für die Informationsbeschaffung anderer Fraktionen nicht zuständig sei. Nein, dafür wäre in der Tat die Verwaltung verantwortlich gewesen. Dass es dazu nicht gekommen ist, lag an der übergroßen Eile, mit der die CDU ihre Vorstellung durchboxen wollte. Jetzt befinden wir uns in der problematischen Situation, dass wir entweder der Mehrheitsfraktion aufgrund ihrer Exklusivinformationen glauben können oder nicht. Demokratische Entscheidungsprozesse aber zur reinen Glaubenssache zu machen, ist nicht akzeptabel.

Unsere Fraktion hat in diesem Jahr die Alternative für den BBH klar aufgezeigt, nicht neu zwar, aber auch nicht so sprunghaft wie die CDU, die bislang konzeptionslos jedes Jahr ein neues Steckenpferd sattelte: erst personelle Aufstockung, dann Fremdvergabe, schließlich Eigenbetrieb. Wir haben 4 neue, feste Mitarbeiter für den Baubetriebshof vorgeschlagen, in der Überzeugung, dass nur ein Mehr an fachlich qualifizierten Mitarbeitern eine Verbesserung des Grünpflegenotstandes bringen kann. An dieser Tatsache wird letztlich auch die CDU trotz aller Motivations- und Produktivitätssteigerungserwartungen an das Personal nicht vorbeikommen.

Mit diesen Ausführungen hoffe ich deutlich gemacht zu haben, wo wir die Schwachstellen und Defizite im diesjährigen Haushalt sehen. Ich verstehe durchaus, dass der Gestaltungswille, resultierend aus dem Gestaltungsauftrag, den die CDU zweifelsfrei hat, Gestalt annehmen will. Doch wie die CDU vorgeht, das ist Politik mit der Brechstange, die auch noch unsolide finanziert wird. Damit dürfte klar sein, dass wir den Haushalt ablehnen.

Positiv hervorheben möchte ich aber abschließend, dass neben den schon traditionellen Gesprächen mit der SPD in diesem Jahr auch ein Gespräch mit der CDU stattfand. Ich begrüße diese Initiative des CDU-Fraktionsvorsitzenden ausdrücklich und hoffe, dass damit die langjährige Ära der Sprachlosigkeit zwischen unseren Fraktionen auch für die Zukunft beendet ist. An unserer Bereitschaft soll es jedenfalls nicht mangeln.

Zu guter Letzt auch einen herzlichen Dank an unsere haushaltsmeteorologische Fachabteilung mit ihren kompetenten und stets hilfsbereiten Mitarbeitern. Dort werden verfeinerte Methoden der Vorhersage entworfen und getestet. Aber auch sie ist letztlich, und das verbindet sie mit der echten Meteorologie, nicht gefeit vor Fehleinschätzungen – schließlich liegt die Betonung bei Vorhersagen immer noch auf dem letzten Wortteil – Sage. Eines aber lässt sich mit 100prozentiger Sicherheit, sogar auf den Tag genau, prognostizieren: Im nächsten Dezember, präzise am 10. kurz nach 17.00 Uhr, stellt es sich wieder ein und rüttelt uns durch: Tief Theo. Die Frage bleibt nur, in welcher Stärke.

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