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Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anläßlich der Verabschiedung des Haushaltes in der Ratssitzung am 30. März 2004
Frau Bürgermeisterin, Herr Kämmerer, meine Damen und Herren !
Reinhard Mey dürfte - in leichter Abwandlung - die Haushalts-Stimmung der CDU wohl recht gut beschreiben:
Über den Wolken muss der Haushalt wohl grenzenlos sein.
Alle finanziellen Sorgen, sagt man,
Blieben darunter verborgen und dann
Würde, was uns groß und wichtig erscheint,
Plötzlich nichtig und klein.
Zu solchen Höhenflügen tendiert unsere Fraktion nicht - weniger aus Flugangst, eher schon aus ökologischen Gesichtspunkten, vor allem aber, um die Bodenhaftung beim Haushalt nicht zu verlieren. Denn nichtig und klein wollen uns weder Haushaltsumfang - immerhin 69 Mio Euro - noch Sorgen, die sich mit ihm verbinden, erscheinen. Schließlich ist der Haushalt, der heute zu verabschieden ist, kein gewöhnlicher, sondern ein Haushalt in einem Wahljahr und damit besonders anfällig für abgehobene Anwandlungen der Politik.
Da dies gewissermaßen auch das Ende der Legislaturperiode markiert, sei es mir gestattet, den Blick nicht allein auf die Haushaltsplanberatungen dieses Jahres, sondern auch auf die fiskalischen Ergebnisse dieser Legislaturperiode zu richten.
Erstmals seit unserem Einzug in den Rat im Jahr 1984 hatte eine Fraktion gemeinsam mit der Bürgermeisterin wieder die absolute Mehrheit - betrachten Sie die Zeitwahl bitte als präsentisches Präteritum mit Ablaufdatum September dieses Jahres; dann wird das Attribut, so es die WählerInnen wollen, nicht mehr gebraucht.
Mit der absoluten Mehrheit liegt die Verantwortung auch für die finanzielle Entwicklung unserer Stadt bei der Mehrheitsfraktion CDU. Nun tendieren die Verantwortung Tragenden über die Parteigrenzen hinweg dazu, sich selbst und ihre Leistungen nur durch dick rosafarbene Brillen zu betrachten und in Weihrauch förmlich zu baden. So auch die vorgelegte Leistungsbilanz von Bürgermeisterin und Christdemokraten, bei der nur verwundert, dass nicht auch noch der Himmel über Rheinberg und der Boden unter unseren Füßen irgendwie als eine Leistung der CDU und ihrer Bürgermeisterin vereinnahmt wird.
Bei nüchternerer Betrachtung entpuppt sich der selbstverpasste Glorienschein weniger als Glorie denn als Schein, mit Folgekosten, die auch unseren jetzigen Haushalt belasten. Erinnern wir uns doch, wie die CDU in die Legislaturperiode startete: Der Marktplatz sollte zum Parkplatz umfunktioniert werden, und ein RIZ - Ratsinformationszentrum - neben dem Alten Rathaus entstehen. Ein klassischer Fehlstart: Beide Projekte gingen nach hinten, oder besser, gar nicht los. Nicht zum Schaden der Stadt, wie wir finden, aber ein Ruhmesblatt für die stadttragende Fraktion wahrlich nicht!
Hingegen wäre das Anschieben des Stadtmarketings durch die CDU eigentlich als solider Pluspunkt zu werten, wenn da nicht exorbitant hohe Moderatoren-Kosten angefallen wären. Das Stadtmobil war von uns ebenfalls begrüßt worden, eine kritische Bilanzierung steht aber noch aus. Ohne Einschränkung auf der Habenseite das Gutachten für ein Stadtbussystem - aber sonst? Ein zweckloser Tausch von Mehrzweckraum und Einwohnermeldeamt, jetzt Bürgerbüro, wenig funktional und vor allem teuer; die Umwidmung des Baubetriebshofs in den DienstLeistungsBetrieb gegen den Widerstand der Opposition und der Verwaltung, Nutzen ungewiss, Kosten auf jeden Fall höher; die Verwaltungsreform mit einer aufgeblähten Dezernatsstruktur, Nutzen eher individuell gegeben, Kosten auf jeden Fall höher; die selbstherrliche Installierung einer Sparkasse am Niederrhein, Verluste für die Stadt mit über 300.000 Euro Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer immens. Daneben noch Aktionen wie "Rettet die Kommunen" mit eingebautem Event-Charakter, darin stark an die Show-verliebte FDP erinnernd. Dies blieb aber auch so ziemlich die einzige Reverenz an die Freidemokraten, die sich in Rheinberg ansonsten als unentzündbarer Appendix der CDU erwiesen: in Treue fest verbunden, aber eigentlich ohne rechte Funktion.
Also: Nüchtern bilanziert bleiben da nicht viele Highlights, meine Damen und Herren von der CDU, mit denen Sie vor die WählerInnen treten können. Ein Abschreiben irgendwelcher Ratsbeschlüsse, die man dann einfach auf's eigene Konto gutschreibt, ist reichlich dürftig. Und, Frau Bürgermeisterin, das wiederholte Reklamieren der Initiative einer anderen Fraktion als die eigene - Sie wissen, dass ich auf die Aktion "Saubere Stadt" anspiele - zeugt nicht gerade von Souveränität. Sollten Sie tatsächlich der Meinung sein, das schon vorher gedacht, aber nicht beantragt zu haben, dann möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass die Partei der Grünen schon im Jahr 1991 eine Müllsammelaktion durchgeführt hat.
Fiskalisch betrachtet erbrachten die schwarzen Jahre keinesfalls auch schwarze Zahlen. Zwar kommen wir glücklicherweise noch ohne Haushaltssicherungskonzept aus, das ist jedoch mehr dem Umstand unerwarteter Geldzuflüsse z.B. bei den Gewerbesteuern zu verdanken als einer vorausschauenden, nachhaltig auf Konsolidierung angelegten Haushaltspolitik der CDU. Beachtenswert immerhin: Der Rücklagenbestand schmolz von rund 11 Mio Euro zu Beginn der Ära CDU/Bürgermeisterin Schreyer auf 8,3 Mio Euro Ende des Jahres 2003; nach der -allerdings mit Vorsicht zu genießenden - Prognose für dieses Jahr wären es nur noch 4 Mio Euro. Deutlicher noch wird die Tendenz bei den Schulden: Von 1999 bis Ende 2003 war eine Steigerung beim Schuldenstand pro Einwohner von 61 % zu verzeichnen, nach der Prognose werden es Ende dieses Jahres im Vergleich zu 1999 gar deutlich mehr als 100 % sein - in absoluten Werten ausgedrückt lastete damit auf jeder Rheinberger Bürgerin, jedem Bürger eine Schuld von 622 Euro.
Diese Negativ-Tendenz verwundert nicht weiter, denn das Wort "Sparen" schien bis zur Mitte der Legislaturperiode bei der CDU ein Fremdwort zu sein. Stattdessen zogen die Christdemokraten mit dem Füllhorn durch die Lande und verteilten Segnungen aller Art, schimpften aber in den Haushaltsreden wie die Rohrspatzen über die Politik in Bund und Land, die die Kommunen knebele und ihnen den Geldhahn abdrehe. Gegen diese abgehobene und hochgradig unsolide Haushaltspolitik hat die bündnisgrüne Fraktion von Beginn an Stellung bezogen. Nicht ohne Genugtuung registrierten wir, dass der von uns angestoßene Spar-Diskurs im vergangenen Jahr auch bei der CDU ankam.
Nachhaltige Wirkung? Leider nein. Heuer wird's wieder teuer, auch wenn durch den Rückgriff auf die Verpflichtungsermächtigungen die Ausgabeflut der CDU etwas kaschiert werden konnte. Natürlich sind Verpflichtungsermächtigungen legitime Mittel der Streckung von Ausgaben - auch wir bedienen uns ihrer - , doch stellen sie keine echte Ersparnis dar, schon gar nicht die Minderung des weiterhin vorhandenen strukturellen Defizits.
Dass auf dieses Mittel zunehmend gerne von den Fraktionen zurückgegriffen wird, daran ist die Verwaltung nicht schuldlos. Wenn von den bereitgestellten Mitteln für allgemeine Kanalsanierungen nur die Hälfte abgerufen wird, wenn vor allem in der Vorlage zum Bauausschuss immer wieder der Begriff "Ansatzwiederholung aus dem Vorjahr" auftaucht, wenn von den für das vergangene Jahr bereitgestellten Finanzmitteln rund 3 Mio Euro nicht verwendet werden, muss in Richtung Fachbereiche kritisch gefragt werden, ob hier nicht die eigenen Kapazitäten überschätzt werden. Für unsere Fraktion kann ich sagen, dass wir kein Interesse daran haben, Potemkinsche Dörfer oder Dorfmittelpunkte zu beschließen, die sich absehbar als heiße Luft erweisen werden.
Letzteres führt uns zwangsläufig wieder zur CDU. Obwohl wahrscheinlich ist, dass Landesmittel für den Dorfmittelpunkt Wallach respektive die Umgestaltung des ehemaligen Feuerwehrgerätehauses nicht fließen werden, beharrt die CDU unverdrossen auf ihrer Ausgabeposition. Und so geht das beim CDU-Wunschpaket weiter. In ihrem Bestreben, möglichst viele Wahlgeschenke zu verteilen, kennen die Christdemokraten kaum Grenzen - siehe Reinhard Mey.
Zweifellos den Gipfel markiert aber das Ansinnen der CDU, auf die Rückzahlung eines Bauzuschusses für einen Verein zu verzichten. Fürwahr ein einmaliger Vorgang: Der Verein selbst bietet an, den Zuschuss zurückzuzahlen, und die CDU versucht, ihm das auszureden. Es geht hier nicht so sehr um die Summe, die ist vergleichsweise gering, es geht hier um die Frage, ob die städtischen Finanzen in den Händen der Mehrheitsfraktion angesichts solch eines Gebahrens noch gut aufgehoben sind. Wir meinen, wer so leichtfertig mit dem Geld der BürgerInnen umgeht, der verspielt jeden Anspruch auf Seriosität und Solidität.
Da hilft es auch nicht, dass einige Vorschläge der CDU durchaus Sinn machen und von uns daher unterstützt werden, so z.B. der Erwerb der Bahnhöfe in Millingen und Rheinberg, die Asphaltdecke für den Günter-Rehse-Weg oder der Ausbau des Radwegs Kantstraße. Umgekehrt ist interessant festzuhalten, dass zwar bedauerlich wenige von den Vorschlägen, die unsere Fraktion eingebracht hatte, im Hauptausschuss eine Mehrheit fanden, diese dann aber überwiegend von der CDU, nicht von der SPD unterstützt wurden. So konnten wir einen drastischen Kahlschlag bei den Mitteln für Grünanlagen verhindern, erste Planungsmittel für die Umgestaltung des Knotenpunktes Bahnhofstraße/Wälle und die Sanierung der Orsoyer und der Rheinstraße wurden eingestellt und die Finanzausstattung für die uns sehr am Herzen liegenden bestehenden Städtepartnerschaften wurde verbessert. Dies alles sind jedoch kleine Positionen.
Erfreulich auch, dass sich unser Einsatz für eine kritische Hinterfragung des Konzeptes für das Konvikt gelohnt hat. Immerhin geht es hier um mehr als 1,5 Mio Euro Sanierungsmittel, deren Einsatz gründlich bedacht sein will. Dieses Gebäude sollte wirklich nur dann, wenn Alternativen für die Unterbringung insbesondere der Bücherei nicht zur Verfügung stehen, saniert und modernisiert werden. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass nach dem vorliegenden Konzept den berechtigten Wünschen der Bibliothek nach einer Erweiterung ihrer Räumlichkeiten nicht Rechnung getragen werden kann, zu berücksichtigen ist weiter, dass mit der Alten Kellnerei eine kostspielig sanierte städtische Immobilie nicht vollständig genutzt wird, zu überlegen ist ferner, ob wir weiterhin eine städtische Musikschule vorhalten müssen, wo doch ein guter privater Anbieter zur Verfügung steht, zu hinterfragen ist letztlich, ob wir ein weiteres Kulturzentrum, wie es die SPD mit dem Konvikt vorsieht, auf Dauer finanziell werden stemmen können. Allerdings erwarten wir, dass mit Hochdruck an den Alternativen gearbeitet wird, denn einen größeren zeitlichen Aufschub, insoweit geben wir der SPD Recht, verträgt die Angelegenheit wegen der Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes nicht.
Einen Schwerpunkt versuchte unsere Fraktion in diesem Jahr im Bereich von Energie und Schulen zu setzen. Wichtig waren uns hier die Dachsanierung der Grundschule St. Peter, von der Verwaltung selbst als dringlich bezeichnet, die Erneuerung der Heizungen der Grundschule Orsoy, der Sonderschule und des Kindergartens Vierbaum, sowie der dringend notwendige Beginn der energetischen Sanierung des Schulzentrums und der Turnhalle. Hier können wir uns sehr gut ein zweites Blockheizkraftwerk vorstellen und endlich auch den ersten Schritt in Richtung Nutzung der Photovoltaik.
All das fand weder die Zustimmung von CDU noch von SPD. Warum eigentlich nicht? Haben wir nicht alle den Leitlinien von Stadtmarketing und Lokaler Agenda zugestimmt, in denen auch von einem sorgsamen Umgang mit der Energie die Rede ist? Haben sich nicht die Städte Wageningen und Rheinberg im Rahmen des Ecopolis-Projektes vorgenommen, dem Gedanken der Nachhaltigkeit auch in Bezug auf den Energieverbrauch Rechnung zu tragen? Unterschriften allein reichen für eine CO2-Reduktion nicht hin, da muss schon ein wenig mehr Fleisch an den nachhaltigen Knochen. Insbesondere von der Bürgermeisterin und der CDU hätten wir hier mehr erwartet, haben sie doch extra eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit eingerichtet. Honi soit qui mal y pense - ein Schelm, wer Böses darüber denkt.
Überdies: Schulen sind, sowohl hinsichtlich Pädagogik wie Lernumwelt, entscheidende Wegbereiter für die Zukunft unseres Landes. Dies dürfte ja nicht erst seit PISA Gemeingut sein. Eine Investition in die Ausstattung der Schulen ist durchaus eine Investition in die Zukunft. Wann geschieht hier endlich mehr als das unaufschiebbar Notwendige?
Soweit die Einzelbetrachtung des Haushaltsplans 2004. Dieser stand ja dieses Mal ganz unter dem Zeichen "Erste Kontaktaufnahme mit dem Produkthaushalt". Doch das Fremdeln, was bei ersten Kontakten ja nicht unüblich ist, dauerte nur kurze Zeit. Unser besonderer Dank gilt Herrn Mennicken und Herrn Giesen sowie ihren MitarbeiterInnen, die es ganz ausgezeichnet verstanden haben, uns diese neue Form des Haushalts verständlich zu machen. Vieles war neu, ungewohnt, der Umfang der Vorlagen gewaltig; doch obwohl auch die Kämmerei beim Betreten des Neulands die eine oder andere Kurskorrektur vornehmen musste, wurden wir erstaunlich sicher durch das Haushaltsdickicht manövriert. Das macht Lust auf mehr - allerdings nur unter veränderten politischen Rahmenbedingungen.
Klar dürfte sein, dass wir nach der Abwägung aller Aspekte den Haushalt 2004 nicht mittragen können. Zu viele Wahlgeschenke, zu wenig Solidität, eine bedenkliche Haushaltstendenz, kein Konzept zur langfristigen Stabilisierung des Haushalts: das ist die weitgehend negative Haushaltsbilanz der CDU in diesem Jahr wie auch in dieser Legislaturperiode. Wir hoffen und werden alles daran setzen, dass sich das Unglück der absoluten Mehrheit einer Partei nicht noch einmal wiederholt. Sonst sehen wir für Rheinbergs Haushalte der Zukunft im doppelten Sinne schwarz, sonst befürchten wir, dass der Kämmerer die kommenden Haushalte wie sein Kollege aus Mainz mit den Worten vorstellen muss: "Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt Einbringung des Haushaltes. Ich bitte, die Taschentücher bereitzuhalten."