Haushaltsrede 2007

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes in der Ratssitzung am 27. März 2007

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

Herr Kämmerer,

meine Damen und Herren!

 

Von nun an ging’s bergab!“ So resümierte eine bekannte deutsche Künstlerin in einem berühmten Chanson-Titel ihre Lebenserfahrungen.

„Von nun an ging’s bergab!“ Das könnte auch die recht passende Überschrift über die Erfahrungen unserer Fraktion bei den diesjährigen Haushaltsberatungen sein. Aber ließe sich nicht einwenden, dies sei nur eine der typischen Überzeichnungen eines überhitzten Politbetriebs? Und womit genau soll es bergab gehen? Lassen Sie mich einige Beispiele benennen, die zeigen, dass von Übertreibungen nicht die Rede sein kann.

Bergab geht es mit den städtischen Finanzen – schleichend, aber kontinuierlich. Dies ist nichts Neues, das ist seit Jahren so. Nur kann man sich damit nicht beruhigen. Bekannt ist das Problem ebenfalls seit Jahren, und vor den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres wurde ernsthaft fraktionsübergreifend versucht, diesen negativen Trend zu bremsen. Dazu wurde die Haushaltskonsolidierungs-AG ins Leben gerufen. Mit durchgreifenden Ergebnissen war und ist sicher nicht sofort zu rechnen. Aber lässt sich überhaupt eine Trendwende erkennen?

Nun sollte man zur Beurteilung der Tendenz weniger den vorliegenden Haushaltsplanentwurf, der heute zu verabschieden ist, zu Rate ziehen. Hier gilt traditionell, dass die Kämmerei sich in ritualisierter Schwarzseherei übt, um die spendierfreudigen PolitikerInnen halbwegs zur haushaltspolitischen Räson zu bringen. Erhellender ist da ein Blick auf das Ergebnis der Jahresrechnung 2006. Und hier zeigt sich deutlich: die Rücklagen verringerten sich, der Kreditbedarf ist weiter hoch, die Pro-Kopf-Verschuldung steigt. Warnende Anzeichen genug also, um die Konsolidierung der städtischen Finanzen entschlossen und konsequent fortzusetzen, oder genauer, sie nun auch tatsächlich zu beginnen. Und was ist geschehen?

Von nun an ging’s –weiter – bergab.

Zunächst zur Form der Haushaltsvorbereitung. CDU und FDP hatten nichts Besseres zu tun als den anderen Fraktionen mal so richtig zu zeigen, wo in Rheinberg der Hammer hängt und wie die politischen Mehrheiten aussehen. Just vor der entscheidenden AG-Sitzung schritten sie zur Presse und verkündeten ihre Lieblingsprojekte. Nach dieser furiosen Demonstration von Macht und Arithmetik fragten die Protagonisten auch noch ganz unschuldig, warum sich SPD und Grüne eigentlich aufregten. Politisches Profil dürfe doch schließlich nicht aufgegeben werden. Ich glaube aber weniger, dass diese Aktion einem politischen Kastrationskomplex geschuldet war. Nein, hier wurde einseitig versucht, die Spielregeln neu zu definieren. Nur, wer in dem einen Jahr „Hü“ ruft – nur keine öffentliche Behandlung der Themen aus der Arbeitsgruppe, nicht einmal in den Fachausschüssen - , in dem anderen aber „Hott“ – man wird ja doch mal was sagen dürfen -, der ist nicht glaubwürdig. Schlimmer noch: Das Arbeitsklima wird durch solche Alleingänge nachhaltig geschädigt. Trotz großer Verärgerung hatte unsere Fraktion dennoch eine Weiterarbeit in der Arbeitsgruppe in Aussicht gestellt. Haushaltskonsolidierung ist zu wichtig, um sie irgendwelchen Rankünen zum Opfer fallen zu lassen.

Zum Inhalt und damit zum Zahlenwerk und einigen wichtigen Eckpunkten. In Zeiten knapper Kassen ist nicht alles zu erfüllen, was an sicher wichtigen und grundsätzlich begrüßenswerten Wünschen an den Rat herangetragen wird. Richtig schien unserer Fraktion daher, sich vorrangig auf grundlegende und zukunftsträchtige Bereiche zu konzentrieren. Dies waren in diesem Jahr die Energie, die Schulen und die städtischen Immobilien.

Immer wieder werden wir von der Kämmerei mit der Tatsache konfrontiert, dass wir das Problem des strukturellen Defizits vor uns her schieben, ohne es grundsätzlich anzupacken. Mit anderen Worten: Wir geben mehr aus, als wir einnehmen. Ein entscheidender Ausgabefaktor ist dabei der städtische Immobilienbestand. Wir haben daher angeregt, vor irgendwelchen kostenträchtigen Sanierungsinvestitionen einige Gebäude daraufhin zu überprüfen, ob sie veräußerbar sind. Hier gehört nach unserer Auffassung alles auf den Prüfstand, was nicht mehr oder nur zu geringen Teilen von der Stadt selbst genutzt wird. Es ist bedauerlich, dass von den anderen Fraktionen gleich mit Tabuisierungen bestimmter Immobilien reagiert wurde. Sicher können wir die emotionale Beziehung zu ehemals bedeutsamen Häusern nachvollziehen, da unterscheiden wir uns nicht. Dennoch – eine Senkung des strukturellen Defizits ist nur zu haben, wenn wir die laufenden finanziellen Belastungen, die mit städtischen Gebäuden automatisch verbunden sind, reduzieren. Zudem bedeutet eine andere Nutzung ja nicht Abriss, das können wir ja selber nach unseren Vorstellungen steuern. Immerhin ist die Diskussion nun angestoßen und wir warten gespannt auf die Vorstellungen der Verwaltung im späteren Jahr.

Schulen sind ein heikles Thema. Wie bereiten wir unsere Kinder auf die Herausforderungen der Gesellschaft und der Welt vor? Da kann jeder eine Meinung beisteuern und daher bewegt sich Politik auch in vermintem Gelände. Der mangelnde Reformmut der ehemaligen rot-grünen sowie das starre Festhalten an Rezepten aus der Vergangenheit der jetzigen schwarz-gelben Landesregierung legen dafür beredtes Zeugnis ab. Es nützt aber nichts, zu zagen oder den Kopf in den Sand zu stecken. Gleichgültig, ob Pisa- oder UN-Studie: Unserem Schulsystem werden schwerwiegende Defizite attestiert. Vor diesem Hintergrund trägt unsere Rheinberger Debatte um die Hauptschule auch nicht weit. Der demografische Wandel hat sie zwar angestoßen, doch kann und darf es letztlich nicht darum gehen, ob wir aus 2 nun 1 machen und an welchem Standort dies geschehen soll. Auch die mögliche Verbundschule aus Real- und Hauptschule könnte nur als Zwischenschritt gesehen werden. Nein, die Dreigliedrigkeit unseres Schulsystems selbst gehört abgeschafft. Denn alles Bemühen auch bestmotivierter LehrerInnen reicht nicht aus, um die strukturellen Defizite eines 3-Klassen-Schulsystems auszugleichen. Dieses System versagt schlicht, zum Beispiel bei der Integration, der individuellen Begabungsförderung oder im Hinblick auf die soziale Durchlässigkeit.

Das können wir natürlich nicht von Rheinberg aus ändern, aber es sollte mitgedacht werden. Worauf wir jetzt schon reagieren sollten, sind die Veränderungen im Schulalltag. Immer mehr Ganztagsangebote werden geschaffen und an den Gymnasien haben wir mit der Schulzeitverkürzung und der Unterrichtsverdichtung die Situation, dass schon Zehnjährige bis in den Nachmittag hinein Unterricht haben. Aber ein leerer Bauch lernt nicht gut. Was wir brauchen, ist beispielsweise eine Mensa am Schulzentrum. Hierzu haben wir einen Antrag gestellt, damit schon jetzt die Weichen richtig gestellt werden können. Sicher, allein ist das schwer zu stemmen. Wir brauchen eine Anschubfinanzierung durch das Land. Denn die meisten Schulen sind für den Ganztagsbetrieb nicht ausgestattet. Wir hoffen, dass ein entsprechender Antrag unserer Landtagsfraktion in Düsseldorf auf eine breite Zustimmung trifft.

Die Bereitstellung von Schulessen ist beileibe nicht alles, was für die Kinder und jungen Heranwachsenden getan werden kann. Ich nenne nur das Schaffen einer angenehmeren Lernumgebung mit freundlicheren Räumen. Wir werden uns dieses Themas auch in Zukunft intensiv annehmen.

Energie und Klima in Rheinberg: Von nun an ging’s bergab. Für eine immer energiehungriger und ökologisch sensibler werdende Welt sind das eigentlich Themen von wirklich überragender Bedeutung. Schaut man sich aber die Diskussion bei den Rheinberger Christ-, Sozial- und Liberaldemokraten an, fühlt man sich wie auf einem anderen Planeten. Kein Staub- oder Schwermetallpartikelchen, kein Kohlendioxid, keine Energieverschwendung trübt dort die rosige Sicht der Dinge, alles easy und unkritisch. Schon bei der Behandlung des Solvay-Antrags für ein sogenanntes EBS-Kraftwerk im STEUA zeigte sich deutlich, wie eine klimapolitische Problematik als Un-Thema entsorgt wurde: die kritische Stellungnahme des BI-Sprechers wird abgewürgt, eine abschließende Kenntnisnahme noch vor der öffentlichen Auslegung der Antragsunterlagen von der Mehrheit durchgepeitscht.

Heute nun geht es um konkrete Anträge unserer Fraktion zur Energieeinsparung und zur Förderung der regenerativen Energie. Spürbar war der Unwille der CDU, sich mit dem Thema „Klimawandel“ und den Konsequenzen daraus überhaupt auseinanderzusetzen. Als „Luftballon“ kennzeichnete der CDU-Fraktionsvorsitzende die Klimadebatte, und die vorausschauende und mutige Handlung der Stadt Krefeld, auf ein Kohlekraftwerk zu verzichten, wurde von SPD-Seite als „Panikreaktion“ abqualifiziert. Um das ganze zu toppen, wird von CDU/SPD/FDP die Förderung des ökologischen und energiesparenden Bauens in Rheinberg für überflüssig und beendet erklärt. Das ist eine umweltpolitische Ignoranz, die einem die Sprache verschlägt.

Hier zeigt sich sehr deutlich, wie ernst diese 3 Fraktionen die von ihnen verbal mitgetragenen Ideen und Beschlüsse aus „Lokaler Agenda“, „Leitbild und Leitlinien“ und „Stadtentwicklungskonzept 2030+“ nehmen. Für Sonntagsreden gut genug, aber ansonsten unterste Ablage. Meine Damen und Herren der anderen Fraktionen, es ist ein jämmerliches Bild, das die Stadt Rheinberg durch solche Inkonsequenz und Ignoranz abgibt.

Dabei hätte es doch vielleicht die FDP besser wissen und machen können. Ihr Parteifreund in Xanten, Axel Götze-Rohen, hat dazu kürzlich bemerkenswerte Ausführungen in der Presse gemacht. Ich zitiere ihn ausgesprochen gerne: „Wir dürfen über den Klimawandel nicht global denken, aber lokal auf das Handeln verzichten.“ Und er schlägt vor, 10 % der Xantener Investitionen in Hoch- und Tiefbau in Energieeinsparungen zu investieren. Der Mann hat wenigstens noch Visionen, die nicht etwa zu heilen, sondern nur zu unterstützen sind, und das „Vorbild Xanten“, das ihm vorschwebt, würde auch unserer Stadt gut anstehen.

Aber was tut die hiesige FDP? Nicht nur erklärt sie die ökologische Bauförderung schon vor einem Beschluss für beendet, nein, sie schlägt auch noch als neues politisches „Highlight“ einen Kinderbaulandbonus vor. Nun sind ja die Begriffe „Kinder“ und „Bonus“ sehr positiv besetzt. Ist der Antrag also eine gute Sache? Bei näherer Betrachtung erweist er sich nurmehr als unüberlegt, kurzsichtig populistisch und fiskalisch katastrophal. Suggeriert wird zwar Kinderfreundlichkeit und aktives Gegensteuern gegen den demografischen Wandel. Tatsächlich wird Rheinberg durch eine reine Kinderkopfprämie à la FDP weder kinderfreundlicher noch werden dadurch mehr Kinder geboren. Wenn man denn überhaupt der Meinung ist, dass wir einen Kindermangel haben. Wie sagte doch der Kabarettist Volker Pispers am Samstag an dieser Stelle so treffend: „Wir sollten aufhören, darüber zu jammern, dass wir zu wenige Kinder haben, und uns endlich mehr um die Kinder kümmern, die da sind.“

Hinzu kommt die eklatante soziale Unausgewogenheit dieses Antrags. Häuslebauer gehören zu den bessersituierten Bevölkerungsgruppen. Und denen soll jetzt auch noch ein zusätzliches üppiges Geldgeschenk gemacht werden? Was ist denn mit den Kindern in Familien, die sich nur ein Mietverhältnis leisten können?

Der einzige Effekt, den dieser Antrag haben wird, ist, dass er den städtischen Haushalt zusätzlich belastet. Lieber Herbert Becker, muss denn unser Kämmerer vor Sorgen schon vollständig ergrauen, noch bevor er seine Stelle im Kreis antreten kann?

Überhaupt, die Sorge um die städtischen Finanzen. Wie sieht es mit dem Willen zur Haushaltskonsolidierung aus? Auf den Punkt gebracht: Von nun an ging’s bergab! Wenn ich das, was die den Haushalt wesentlich bestimmende Fraktion der CDU beantragt hat, richtig zusammenaddiert habe, dann belastet das den Haushalt zusätzlich um rund 1 Million Euro – darin sind noch nicht einmal die von Vereinen oder anderen Fraktionen eingebrachten Anträge enthalten, die sie außerdem mitträgt. Unsere Fraktion hat zwar Vorschläge im Umfang von gut 550.000 Euro gemacht, dagegen aber auch Einsparanregungen in gleicher Höhe gesetzt. Von Sparbemühungen kann bei der CDU keine Rede sein, im Gegenteil, sie zieht wieder mit einem Füllhorn von Geschenken durch die Rheinberger Stadtteile und beglückt alle und jeden. Vielleicht ist das ja der neue Sozialismus nach Rheinberger CDU-Art, von der am Wochenende in der Presse zu lesen war.

Eine solche Freigebigkeit mag ihnen ja einige rasche Sympathien einbringen, aber verantwortliche Politik und Gestaltungskraft sehen nach unserer Meinung anders aus. Sie mogeln sich nur um unbequeme Entscheidungen herum, entfachen ein fiskalisches Blendwerk und setzen eklatant falsche Signale für unseren Haushalt. Dass wir einem solchen Haushalt nicht zustimmen können, ist nur eine logische Konsequenz. Ich gehe aber noch weiter: Unter solchen Prämissen macht die Fortführung der Konsolidierungs-AG keinen Sinn. Das unsolidarische Vorpreschen von CDU und FDP mit ihrer Presseaktion wäre für uns letztlich nicht der Knackpunkt, wohl aber ein Haushaltsgebaren, das dem Konsolidierungsgedanken Hohn spricht.

Rheinberger Haushalt 2007: Von nun an ging’s bergab. Schade, dass wir ein solches Fazit ziehen müssen. Schade auch, dass der Hoffnungsschimmer des letzten Jahres zu schnell verglomm. Aber als die seit Jahren einzig verbliebene Opposition hier im Rat müssen wir auf die Mängel und schwerwiegenden Defizite des Haushalts hinweisen, von denen ich an dieser Stelle aus Zeitgründen nur einige benennen wollte.

Gedankt sei zum Schluss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, die uns bei Rückfragen und Erläuterungsbedarf stets kompetent mit Rat und Tat unterstützt haben. Ein besonderer Dank gilt dabei dem Kämmerer, dem ich – mit einem weinenden und einem lachenden Auge – wünschen möchte, dass dies sein letzter Haushalt in Rheinberg gewesen sein möge. Ihre stets sachliche und hilfsbereite Art, Herr Giesen, ihren ausgeprägten Sinn für Haushaltskonsolidierung würden wir in Rheinberg vermissen, im Kreis natürlich sehr zu schätzen wissen. Wollen wir hoffen, dass es wenigstens in diesem Falle bergauf geht.

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