Haushaltsrede 2008

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes

in der Ratssitzung am 2. April 2008

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren,

 

Dinosaurier gelten als faszinierende Geschöpfe. Obwohl sie in sehr unterschiedlichen Größen und Formen vorkamen, ist das öffentliche Bild geprägt von riesigen Echsen, die behäbig durch Jura- und Kreidezeit stapften, stets große Mengen an Pflanzen vertilgend.

Ihre schiere Größe handelte ihnen allerdings auch Probleme ein. Allein die enorme Masse brachte eine gewisse Trägheit der Reaktion mit sich und ihre Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Umweltbedingungen war deutlich herabgesetzt. Irgendwann, verursacht durch ein oder mehrere katastrophische Ereignisse, verschwanden dann die Giganten der Urzeit.

Was hat das mit der Rheinberger Politik zu tun? Es ist eigentlich naheliegend: Die CDU hier im Rat weist erstaunliche Parallelen zu den Sauriern auf. Auffallend zunächst einmal die Größe. Die Christdemokraten stellen ja die meisten Mandatsträger. Doch wie der um rund 70 Millionen Jahre zurückwandernde Blick zeigt, bringt pure Größe, mag sie auch noch so imposant wirken, phylogenetische, also stammesgeschichtliche Nachteile quasi unvermeidlich mit sich.

Waren die Reaktionszeiten auf Impulse aus der Umgebung bei den Großechsen deutlich verlangsamt, so zeigt sich ein vergleichbares Phänomen bei der hiesigen CDU. Anträge, die unsere Fraktion schon vor Jahren gestellt hatte, werden erst jetzt von ihr registriert, dann aber kraft ihrer Gewichtigkeit gleich als die ihrigen reklamiert - siehe die Sanierung von Orsoyer- und Rheinstraße.

Ähnliches bei der Anpassungsfähigkeit an gewandelte Umweltbedingungen. Klimawandel, steigende Energiepreise, Endlichkeit der fossilen Energieträger – die CDU Rheinberg scheint das überhaupt nicht wahrnehmen zu können, oder zu wollen. Wie anders ließe sich erklären, dass sie unseren Antrag eines energetischen Gebäudesanierungsprogramms ohne Federlesens vom Tisch wischte. Und auf die Beantragung einer Energieberatung für die städtischen Liegenschaften und Immobilien, deren Wichtigkeit von der Verwaltung dankenswerter Weise deutlich unterstrichen wurde, reagierte sie erst einmal mit Ungläubigkeit, wie leider auch die Fraktionen von SPD und FDP.

Auch wenn es hier in letzter Minute noch eine Wende gab, wenigstens die Energieberatung in Rheinberg umgesetzt wird, so haben wir doch unsere Zweifel, ob dies eine Abkehr der CDU von ihrem energiepolitischen Autismus bedeutet, vor dem auch die andere große Fraktion hier im Rat nicht ganz gefeit ist, von der FDP ganz zu schweigen. Aber wir haben Hoffnung, denn eine solche Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung im so wichtigen Bereich der Energie ist gottlob grundsätzlich heilbar – man oder frau muss sich allerdings schon etwas bemühen.

Eine dritte Parallele: der große Ressourcenverbrauch. Sparsamer Umgang mit den städtischen Finanzen – das schien in diesem Jahr ein Fremdwort für CDU und SPD zu sein. Während die CDU ihr Projekt der Pflasterung von ganz Rheinberg unbeirrt fortsetzt, erhofft sich die SPD ihren politischen Aufschwung durch mehr Sportstätten – um nur zwei markante Beispiele herauszugreifen.

Immer mehr und immer luxuriöser, so könnte man die Tendenz auf einen Punkt bringen. Doch können oder sollten wir uns das wirklich erlauben? Strukturelles Defizit – da war doch was? Richtig, nur ernst nehmen tut’s offenbar bei den großen Fraktionen kaum jemand mehr. Die projektierte Kreditaufnahme von fast 7,3 Mio Euro ist besorgniserregend. Da helfen auch keine beschwichtigenden Hinweise der Verwaltung darauf, dass im vergangenen Jahr schließlich gar kein neuer Kredit aufgenommen werden musste. 7,3 Millionen Euro: das ist nahezu das 3-fache von dem, was der Bürgermeister mal mit 2,5 Mio Euro Nettokreditaufnahme als akzeptabel bezeichnet hatte. Und beim Schuldenstand nähern wir uns der 30 Millionen-Euro-Marke.

Auch wir haben Vorschläge eingebracht, die Mehrkosten verursachen, das ist richtig. Diese summieren sich auf gut 400.000 Euro. Aber wir haben auch Vorschläge zur Gegenfinanzierung und zur Einsparung gemacht – bezogen auf die ursprünglichen Zahlen im Entwurf immerhin mit einem Umfang von gut 700.000 Euro, nähme man die zwischenzeitlichen Korrekturen der Verwaltung hinzu, addierten sich unsere Einsparvorschläge sogar auf rund 1,5 Mio Euro.

Ähnliches hätte man auch zumindest von der die Stadtpolitik derzeit wesentlich bestimmenden Fraktion der CDU erwartet, ja man muss es geradezu von ihr einfordern als Beitrag zur Absicherung der finanziellen Solidität unseres Haushalts. Aber da kommt herzlich wenig! Politische Gestaltungskraft erschöpft sich bei ihr weitgehend in Vorwahlkampf-Spendiergehabe.

Dabei wäre es gar nicht so schwer, ausgehend von unserem wegweisenden „Stadtentwicklungskonzept 2030+“ Themenfelder aufzugreifen, die den politischen Streit lohnen. Bildung für alle, und zwar mit wirklicher Aufhebung der sozialschichtbedingten Schranken: Das wäre doch ein Betätigungsfeld, auch kommunal! Oder die Umsetzung des Slogans „Global denken - lokal handeln“ im Bereich der Energiepolitik! Oder angesichts einer sozial auseinander driftenden Gesellschaft der Einsatz für eine neue soziale Gerechtigkeit!

In all diesen Feldern sehen wir als bündnisgrüne Fraktion großen Handlungsbedarf. Und mit Anträgen zur sozialpsychologischen Betreuung von Kindern, zur verstärkten ortsteilbezogenen Jugendarbeit, zur Schulstandortsicherung oder zur Schuldnerberatung, um nur einige Beispiele zu nennen, haben wir versucht, darauf zu reagieren.

Das heißt nicht, dass Anderes deshalb als unwichtig zu vernachlässigen wäre. Die Sanierung von Sportheimen oder von Friedhöfen, der Ausbau von Gehwegen oder die Erneuerung von Fahrbahndecken – diese und weitere zahlreiche Haushaltstitel haben fraglos ihre Bedeutung. Was wir jedoch bemängeln, ist, dass hier in Rheinberg die großen Leitlinien fehlen, an denen systematisch gearbeitet wird. Stattdessen scheint die politische Mehrheit im Rat sich das „Durchwurschteln“ zur Handlungsmaxime erkoren zu haben.

 

Wie meine bisherigen Bemerkungen sicherlich deutlich machen, ist die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen schon besorgt, was die Zukunftsfähigkeit unserer schönen Stadt Rheinberg anbetrifft, vor allem angesichts eines ebenso erdrückenden wie antiquierten Kolosses wie der CDU-Fraktion.

Was tun? Nun, die Diagnose ist eindeutig: Aufgrund schierer Masse gelingt der CDU der Sprung in die Moderne nicht. Die Remedur ist ebenso klar: Abspecken!

Nun wird das unserem Fossil im Rheinberger Rat nicht von alleine gelingen. Dazu bedarf es der tatkräftigen Unterstützung der WählerInnen. Kleiner, aber feiner – das wäre ein schönes Motto für die CDU! Wir sind da guter Hoffnung für das kommende Jahr.

 

Ein Vorletztes: Ich hätte es nicht weiter angesprochen, aber nach den Anmerkungen des Fraktionsvorsitzenden der CDU zum demokratischen Reinheitsgebot sehe ich mich doch zu einer kurzen Anmerkung veranlasst.

Es geht ein Gespenst um im Rheinberger Rat – das Gespenst … ja wessen eigentlich?

Mitten in die Rheinberger Haushaltsberatungen platzten CDU und FDP mit wilden Verdächtigungen gegenüber unserer Fraktion und Partei. Da wurde gebarmt vom Verletzen des demokratischen Konsenses, vorauseilender Gehorsam wurde ausgemacht, vermeintlich wurden die Rheinberger Bündnisgrünen beim politischen Kurswechsel ertappt.

Was war geschehen, dass die Rheinberger CDU und an ihrem Rockschoß die FDP meinten, die politischen Sturmglocken läuten zu müssen? Nun, eine Diskussion war geführt worden vom Grünen Ortsverband zur Einschätzung und zum Verhältnis zu einer noch relativ neuen Partei, die weder im Rheinberger Rat vertreten ist noch von der klar ist, ob, und wenn ja, mit welchem Personal und Programm sie bei der nächsten Wahl antreten wird. Insofern handelt es sich wirklich um eine sehr gespenstische Debatte, die da durch die CDU vom Zaun gebrochen wurde.

Immerhin meinte sie, damit gut begründen zu können, warum weitere Haushaltsgespräche mit unserer Fraktion nicht geführt wurden. Eine vollkommen unredliche Argumentation! In Wahrheit beschreibt das doch den Normalzustand: Gespräche zum Haushalt jenseits der Arbeitsgruppe „Haushaltskonsolidierung“ haben zwischen CDU und Grünen bisher nicht stattgefunden. Der Grund ist offenkundig: CDU und FDP haben es mit ih-ren Mehrheiten einfach nicht nötig, unsere Stimmen noch zu gewinnen. Da muss man kein Mäntelchen drum legen, da bedarf es auch keiner scheinheiligen Pseudo-Begründungen, das ist nun mal, wie es ist.

Da sich die CDU aber als Hüterin des politischen Reinheitsgebotes öffentlich inszeniert hat, sei mir doch ein kurzer historischer Rückgriff gestattet. Wie hat es die CDU denn in ihrer Geschichte mit der politischen Quarantäne, in die sie andere jetzt gerne stecken möchte, gehandhabt?

Nach dem 2. Weltkrieg haben die Christdemokraten etlichen ehemaligen nationalsozialistischen Parteigängern Aufnahme gewährt und innerparteiliche Aufstiegsmöglichkeiten eröffnet. Und nach dem Fall der Mauer hat diese gleiche Partei etliche Mitglieder der ehemaligen Blockflötenpartei Ost-CDU aufgenommen und ihnen innerparteiliche Karrieren möglich gemacht. Soviel zur Handhabung des politischen Reinheitsgebotes durch die CDU.

Wir Grüne haben einen viel mühsameren Weg eingeschlagen, indem wir uns mit Teilen der ehemaligen DDR-Opposition zur Partei Bündnis 90/Die Grünen zusammengefunden haben. Ich selbst war bei dem Vereinigungsparteitag 1993 in Leipzig dabei und ich darf sagen, dass ich auch jetzt noch stolz auf diesen Zusammenschluss bin. Stolz auch auf das DDR-kritische Erbe, das damit ein Bestandteil Grünen Selbstverständnisses geworden ist.

Aus diesen Gründen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, kam und kommt Ihr Versuch, uns Nachhilfe in Sachen Umgang mit totalitären oder extremistischen Parteien oder Gruppierungen zu geben, so überaus schlecht bei uns an.

 

Nach diesem leider notwendigen Einschub möchte ich zurückkommen auf den Haushalt unserer Stadt.

Ich fasse zusammen: Wesentliche Anträge unserer Fraktion, von denen ich hier stellvertretend nur einige genannt habe, finden leider keine Mehrheit im Rat. Insoweit kann es nicht verwundern, wenn wir erneut dem Haushalt unsere Zustimmung nicht geben können.

Insgesamt verdient dieser Haushaltsplan, wie er wesentlich von CDU und FDP getragen wird, das Prädikat „prähistorisch“, sprich vollkommen unzeitgemäß. Er zeigt auch, wie inhaltlich überlebt die Konstellation „Schwarz-Gelb“ tatsächlich ist. Ein phlegmatischer Konservativismus mit ein paar neoliberalen Einsprengseln, das bietet doch nicht wirklich eine Perspektive für Rheinberg.

Ein Blick über die Stadtgrenzen auf den Kreis zeigt, was auch geht. Die dortige christdemokratische Kreistagsfraktion mit ihrem klugen und vorausschauenden Frontmann ist voll in der Moderne angekommen, wobei ich nicht verhehlen will, dass die bündnisgrüne Fraktion ihr Scherflein dazu beigetragen hat.

Man oder frau sieht: Der christdemokratische Koloss, er bewegt sich doch, wenn er denn einen entsprechenden grünen Fitmacher an der Seite hat. Davon allerdings sind wir in Rheinberg noch ganze Zeitalter entfernt.

 

Mein abschließender Dank gilt wie immer der Verwaltung und dem neuen Kämmerer, die unsere Fragen stets unkompliziert, umgehend und zur vollsten Zufriedenheit beantwortet haben.

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