Haushaltsrede 2009

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes

in der Ratssitzung am 31. März 2009

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren!

 

Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Diesen Satz konnte man aus berufenen wie auch selbstberufenen Mündern in den letzten Monaten häufiger hören. Er galt vor allem der grundstürzenden Finanzkrise und ihren weltweiten Auswirkungen.

Nichts ist mehr so, wie es einmal war – bei uns in Rheinberg könnte man da natürlich u.a. denken an das gerade im Verschwinden begriffene Café Püttmann oder Holz Kempken oder das alte Krankenhaus. Ereignisse, die von vielen als schmerzhafter Bruch mit Traditionen erlebt werden.

Diesen Traditionsbruch gibt es aber auch in anderen Hinsichten.

Da ist zum einen unser Haushalt. Nicht mehr im kameralen Gewand kommt er daher, sondern im völlig neuen NKF-Strickmuster. Nach der ersten Inaugenscheinnahme kann ich für unsere Fraktion feststellen: schwer gewöhnungsbedürftig!

Was waren nicht für Vorschusslorbeeren für die neue Rechnungsführung verteilt worden: transparenter, ehrlicher, besser für die Politik zu steuern.

Was haben wir bekommen? Sonstige Transfererträge, aktivierte Eigenleistungen, Erträge aus internen Leistungsbeziehungen, Auszahlungen von aktivierbaren Zuwendungen und dergleichen mehr. Mit anderen Worten: wunderbare Wortschöpfungen, die jeden Buchhalter mit Sicherheit in Entzücken versetzen, mit denen der gemeine Politiker/die gemeine Politikerin wenig bis nichts anfangen kann. Zumindest für unsere Grüne Fraktion darf ich sagen: Wir fremdeln sicht- und spürbar mit dem NKF-Haushalt. Beim Durchlesen des gewohnt umfangreichen Plans schauten wir uns des Öfteren ratlos oder schulterzuckend an.

Wären da nicht einige Erläuterungen der Verwaltung gewesen, hätten wir uns völlig im Dickicht abstrakter Ertrags-, Aufwands-, Ein- und Auszahlungsarten verloren. Doch auch danach blieben viele Fragen offen, was sehr intensive Gespräche mit der Verwaltung notwendig machte. Die brachten zum Glück sofort Licht ins Dunkel. Dafür unseren herzlichen Dank an die Verwaltung, insbesondere die Kämmerei.

Natürlich ist in Rechnung zu stellen: Dies war der erste Versuch nach dem Systemwechsel. Wir sind zuversichtlich, dass die Verwaltung, insbesondere natürlich die Kämmerei, den nächsten Haushalt schon wesentlich übersichtlicher wird gestalten können. Unsere Bitte dafür: Aussagefähige Erläuterungen zu den wesentlichen Produkten und Maßnahmen.

Neben dieser eher technischen Seite gibt es aber auch noch eine allgemeinere. Die Frage lautet dann nicht nur: Ist der Wechsel erfolgreich vollzogen, sondern: War der Wechsel überhaupt sinnvoll?

Natürlich ist es zu früh für eine abschließende Beurteilung. Mich beschleichen dennoch zunehmend Zweifel daran, ob die neuen kommunalen Steuerungsmodelle, von denen NKF ja nur ein Teil ist, der große Wurf sind. Denn Zweck dieser ganzen Prozedur war doch, die Kommune in ihrem Selbstverständnis neu zu definieren, sich anzupassen an den gesellschaftlichen Mainstream, der da lautete: Alles muss sich den Gesetzmäßigkeiten des Marktes anpassen, also muss sich auch die Kommune neu erfinden als „Unternehmen Stadt“.

Müssen wir das wirklich? Sind wirklich Service und Dienstleistungen einer Kommune wesentlich zu bestimmen über das Kriterium „Rentabilität“? Denn das ist die Logik, die hinter jedem Unternehmen letztlich steht.

Für die Grüne Fraktion kann ich sagen: Wir halten diese Philosophie für verfehlt. Der Bürger, die Bürgerin sollte im Mittelpunkt kommunalen Handelns stehen, nicht die betriebswirtschaftliche Kalkulation. Das heißt nicht, auf solide Haushaltsführung zu verzichten, das haben wir als Grüne Fraktion in den vergangenen Jahren immer sehr deutlich gemacht. Aber die Prioritäten müssen richtig gesetzt sein.

 

Welche Verwerfungen die neoliberale Ideologie nicht nur im Kleinen, sondern auch weltweit produziert hat, zeigen die seit Monaten eintreffenden Hiobsbotschaften aus der Finanz- und Wirtschaftswelt. Auch hier ist nichts mehr so, wie es einmal war.

Auf einmal gilt der Staat wieder etwas, wird er als letzter Rettungsanker für Banken und Unternehmen begriffen. Abgetaucht sind dagegen die neoliberalen Marktradikalen, die jahrzehntelang lautstark proklamierten, der Staat solle sich doch gefälligst aus der Wirtschaft heraushalten, der Markt werde es schon richten.

Angesichts dieser beispiellosen und weltumspannenden Krise muss rasch gehandelt werden, im Großen wie im Kleinen, das ist klar. Nur wie? Eine Antwort ist nicht einfach, wegen der Einmaligkeit der Herausforderung gibt es keine Patentrezepte. Die Bundesregierung versucht es u.a. mit einem Konjunkturpaket. Ich will hier nicht auf Details eingehen, die Grundrichtung, in Bildung und Infrastruktur zu investieren, halten wir für richtig, auch wenn längst nicht alles dem Kriterium der Nachhaltigkeit genügt, das wir für ganz entscheidend halten.

Aber die Ausführung ist handwerklich mangelhaft. Die Krise haben wir heute, aber loslegen können wir nicht mit gegensteuernden Maßnahmen. Die Förderregularien sind noch nicht klar, sie sollen erst definitiv Ende Juli vorliegen. Das begreife, wer will!

Dabei wäre es so wichtig, zeitig vor Ort mit Maßnahmen zu beginnen; Vorschläge für sinnvolle Maßnahmen im Bereich der Schulen oder Sportstätten hat die Verwaltung ja schon vorgelegt.

 

Energieeinsparung, energetische Sanierung von Gebäuden und die Verbesserung der Schulen, das waren Leitthemen für unsere Haushaltsanträge schon in der Vergangenheit und sie sind es auch in diesem Jahr gewesen. Dass mit dem Konjunkturpaket II sehr ähnliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen wurden, erfüllt uns schon mit einer gewissen Genugtuung.

Wir haben uns in Rheinberg mit dem Klimakonzept ehrgeizige Ziele gesteckt. Hier muss der Rat dringend am Ball bleiben. Es wäre fatal, vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise die ökologische Modernisierung hintanzustellen. Wer jetzt zögert, wird in Zukunft umso mehr investieren und finanzieren müssen, um die dramatischen Folgen des Klimawandels zu bewältigen.

Es hilft auch nichts, sich allein auf die Gelder aus dem Konjunkturpaket II zu stützen. Erstens gilt das nur für 1 ½ Jahre, zweitens ist das längst nicht ausreichend. Die Klimaschutzziele und mit ihnen die Reduzierung der Energieverbräuche und  -kosten lassen sich nur mit einer langfristig angelegten Konzeption erreichen.

Und es hilft auch nichts, von effizientem, natürlich ideologiefreiem Umweltschutz zu erzählen, wie Herbert Becker dies tut. Mein Eindruck: Das sind nette Worte für’s Umwelt-Poesiealbum. Zur Erbauung, natürlich auch für den Wahlkampf, denn ganz ohne Umweltschutz geht es ja nicht mehr – aber leider ohne Folgen. Werden unsere Anträge zur weiteren energetischen Sanierung städtischer Gebäude sowie zur Unterstützung von Hausbesitzern und Bauwilligen bei der Entscheidung für Regenerative Energien von den Mehrheitsfraktionen CDU und FDP unterstützt?

Und die Moral von der Geschicht‘? Richtig: Eine starke Grüne Fraktion braucht’s, damit den vielen Worten auch Taten folgen.

 

Gleiches gilt für die schulische Entwicklung, sowohl in baulicher als auch in konzeptioneller Hinsicht.

Wo nun schon Mittel für gewisse bauliche Maßnahmen bereitgestellt werden, sollte die Stadt dies nutzen und gleich ergänzende Verbesserungen am Erscheinungsbild wie auch in der Aufenthaltsqualität vornehmen. Dies haben wir beantragt vor allem vor dem Hintergrund der sich ausweitenden Ganztagesbetreuung. Wenn Kinder sich schon einen Gutteil des Tages an der Schule aufhalten sollen, dann bitte auch in ansprechenden Räumlichkeiten, die Lust auf’s Lernen machen.

Wenn dann noch, wie wir außerdem gefordert haben, die Nachmittagsbetreuung qualitativ verbessert werden könnte, wäre das doch schon ein guter Schritt in Richtung einer Qualitätssteigerung unseres Schulangebotes.

Das allein reicht aber nicht. Wir müssen uns, ausgehend von der Schließung einer Hauptschule, Gedanken darüber machen, wie die Schullandschaft der Zukunft überhaupt aussehen soll. Wir müssen Konsequenzen ziehen aus der Abwanderungsbewegung von fast einem Viertel der Rheinberger Schülerinnen und Schüler; weniger Hauptschüler, dafür eine konstant hohe Nachfrage nach Gesamtschulen, darauf müssen wir Antworten finden.

Die Dreigliedrigkeit unseres Schulwesens ist ein Anachronismus, wir haben das als Fraktion schon vielfach deutlich gemacht. Entscheiden darüber kann aber nur das Land, und da sind bei der konservativ-liberalen Landesregierung Ansätze für ein Umsteuern nicht zu erkennen, auch wenn es bei der FDP zarte Hinweise darauf gibt, dass man sich mit der Verweigerungshaltung der CDU nicht glücklich fühlt.

Positiv nehmen wir auf, dass CDU und FDP bei uns zumindest in einen Dialog einsteigen wollen über diese Thematik. Mal sehen, wohin uns das führt.

 

Überfällig war auch die Debatte um die KITA-Elternbeiträge. Weil das Land mit seiner CDU/FDP-Regierung hier bislang vollständig versagt hat, müssen jetzt die eh schon klammen Kommunen in die Offensive gehen.

Das frühe Kindesalter ist, da sage ich nichts Neues, eine ganz entscheidende Phase für die Entwicklung eines Menschen. Nachdem dies als eine gesellschaftliche Aufgabe begriffen worden und die Versorgung mit KITA-Plätzen für alle Kinder gesichert ist, steht nun die nächste Aufgabe an: die vollständige Beitragsfreiheit für alle 3 Jahre.

Geleistet werden kann das aber nicht von den Kommunen, hier ist definitiv das Land gefordert. Wir können nur den entsprechenden Anstoß geben. Gemeinsam mit der SPD haben wir die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr beantragt; CDU und FDP favourisieren ein anderes Modell mit der gleichmäßigen Entlastung aller 3 Jahre. Unterm Strich wird es für die Kommune gleich teuer – nämlich 300.000 Euro.

Sehr verwundert waren wir allerdings, wie flott CDU und FDP mit einer Gegenfinanzierung bei der Hand waren. Durch die Änderung des NIAG-Aktienverkaufsvertrags fließen nach Rheinberg rund 300.000 Euro. Der gleiche Betrag also wie für die Entlastung der Eltern – und flugs vereinnahmt von Stefan Feltes und Herbert Becker für eine dauerhafte Gegenfinanzierung der Gebührenbefreiung. Und inszenierten sich damit als die Lordsiegelbewahrer einer vernünftigen Haushaltspolitik.

So eine Rechenweise dürfte selbst den bekannten Milchmädchen quer im Magen liegen. Die Entlastung durch den Kreis gilt selbstredend nur für 1 Jahr, danach müssen wir andere Möglichkeiten zur Gegenfinanzierung finden.

 

Wo wir gerade bei der Entlastung unserer Bürgerinnen und Bürger sind: Auch im Bereich der Müllgebühren hätten wir eine unerwartete großzügige Geste des Kreises, nämlich die Weiterleitung von 5 Millionen Euro an die Kreiskommunen – für Rheinberg immerhin gut 350.000 Euro -, nutzen können für die weitere Senkung unserer Müllgebühren in diesem Jahr. Unverständlicherweise haben da sowohl alle anderen Fraktionen als auch die Verwaltung gemauert. Kein bürgerfreundlicher Akt, die Vertagung der Entlastung auf später.

Andere Kommunen im Kreis haben das zugunsten ihrer BürgerInnen anders und besser geregelt.

 

Nichts ist mehr so, wie es einmal war. Das galt auch für die interfraktionellen Haushaltsgespräche. Nachdem noch im Vorjahr die CDU sich ganz Etepetete gab und mit uns nicht reden wollte, war das in diesem Jahr anders. Wir werten das als einen positiven ersten Schritt. Aber ich sage in Richtung CDU auch sehr deutlich: Das war mir zu unverbindlich, zumindest was unsere Anliegen anbetraf.

Klar ist natürlich: Es gab und gibt noch eine Mehrheit von CDU und FDP. Und wer die Mehrheiten hat, muss nicht auf andere Vorschläge eingehen, auch wenn sie noch so sinnvoll sind – das sehen wir ganz nüchtern.

 

Wir hoffen, dass die bleierne Zeit der CDU/FDP-Dominanz in Rheinberg mit der Kommunalwahl ein Ende findet. Rückblickend auf die 4 ½ Jahre dieser Legislaturperiode kann ich für die Grüne Fraktion resümieren, dass in der Ägide von CDU und FDP Vieles Stückwerk geblieben ist, Vieles ist nur erschreckend pomadig angegangen worden, es gab viel Klein-Klein, wenig große Linien.

CDU und FDP haben Rheinberg im Wesentlichen verwaltet, nicht durchweg schlecht, aber vielfach doch deutlich unter dem Möglichen und Machbaren.

 

Nichts ist mehr so, wie es einmal war: Wenn es nach der nächsten Kommunalwahl heißen würde: Im Rat sind die Mehrheiten nicht mehr so, wie sie bisher waren, dann hielten wir diesen Traditionsbruch für eine überaus positive Perspektive.

Wir hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler ein Einsehen haben.