Haushaltsrede 2003

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen anläßlich der Verabschiedung des Haushaltes in der Ratssitzung am 8. April 2003

Frau Bürgermeisterin, Herr Kämmerer, meine Damen und Herren !

Hagenbuch hat jetzt zugegeben – mit diesen Worten leitet Hanns Dieter Hüsch kleine Geschichten ein, die in ironisch-satirischer Weise menschliches Verhalten in bestimmten Situationen beleuchten.

Unsere Situation hier und heute ist die Verabschiedung des Haushalts, und so lassen sich mich in Anlehnung an unseren großen literarischen Kabarettisten vom Niederrhein an Stelle des Hagenbuch einen nicht näher bezeichneten grünen Politiker beschreiben.

Ein grüner Politiker hat jetzt zugegeben,
dass er in diesem Jahr
beinahe
den Eindruck gewonnen habe,
je mehr er sich mit dem Haushalt befasse,
um so weniger davon verstehe,
und je weniger er davon verstehe,
desto mehr befasse er sich damit,
so dass er,
wenn er sich nur noch damit befasse,
gar nichts mehr davon verstünde.

Dies sei, so der Politiker,
keinesfalls immer so gewesen,
fänden doch in jährlichen Abständen Beratungen statt,
in denen Zahlen von hellen politischen und verwaltenden Köpfen
hin und her gewälzt würden,
denen er, der Politiker,
bislang immer gemeint hätte folgen zu können,
ja die er mitsamt seiner Fraktion in vergangenen Jahren,
da aber bedauerlicherweise nicht immer,
mit gestaltet und verändert habe,
wodurch Manches,
davon sei er überzeugt,
für die Menschen in seiner Stadt habe verbessert werden können.

Nun aber habe er nicht nur von der christdemokratischen Fraktion
für seine und seiner Fraktion Vorschläge
keine Zustimmung erhalten,
was ihn nicht weiter verwundere,
dies sei schließlich ein alljährlich wiederkehrendes Ritual,
dem er schon aus Gewöhnung keine größere Bedeutung beimesse,
ärger träfe ihn da schon die Ablehnung,
wenn nicht aller,
so doch entscheidender Anregungen seiner Fraktion
durch die Sozialdemokraten,
die ohne Not,
das wolle er nachdrücklich betonen,
ohne Not ihr eigenes Profil
erneut
einer Zwangsvereinigung mit den Christdemokraten,
ja vielleicht solle man besser von einer zwanghaften Vereinigung reden,
geopfert hätten.

Nachdrücklich irritiert habe ihn aber,
so der grüne Politiker weiter,
und daher rührten seine besagten Zweifel,
ob er den Haushalt trotz vieltägiger Befassung
und mannigfacher Erörterung in seiner Fraktion
überhaupt verstünde,
irritiert habe ihn,
dass der vornehmste Haushaltsexperte der Stadt,
und das sei der Kämmerer nun ohne Frage,
beim Vorbringen einiger Vorschläge aus seiner, der grünen Fraktion,
den Kopf geschüttelt und deutlich widersprochen habe,
worauf er sich nur schwerlich einen Reim machen könne,
da seine Fraktion bekanntermaßen
als Erste und mit Nachdruck
den nun auch von Anderen übernommenen
Konsolidierungskurs bei den städtischen Finanzen
gefordert und umgesetzt hätte,
ohne dabei zu vergessen,
dass es Aufgaben in der Stadt gebe,
die einen Aufschub
oder gar eine vollständige Streichung
nicht vertrügen.

Allerdings wolle er, der grüne Politiker,
aus dieser Erfahrung heraus
seiner Fraktion nicht empfehlen,
den anfänglichen Eindruck,
der sich im Übrigen als falsch erwiesen habe,
dass je mehr man sich mit dem Haushalt befasse,
um so weniger davon verstehe,
und wenn man sich nur noch damit befasse,
gar nichts mehr davon verstünde,
in Zukunft dahingehend zu interpretieren,
dass man sich einfach gar nicht mehr mit dem Haushalt befassen solle,
damit man alles verstehe.

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich in vielen Sitzungen intensiv mit dem Haushalt 2003 befasst. Das Ergebnis haben wir in eine Vielzahl von Anträgen gebündelt. Leitlinie war wie in den Vorjahren, zur Konsolidierung des Haushaltes beizutragen, also die Einzelmaßnahmen sehr gründlich darauf abzuklopfen, ob sie in diesem Jahr tatsächlich notwendig sind, ob sie eventuell um ein oder mehrere Jahre verschoben oder gar ganz gestrichen werden könnten. Unter dem Strich haben wir Vorschläge zur Einsparung von rund 200.000 Euro gemacht.

Zu einer soliden Sparpolitik gehört nach unserer Meinung allerdings auch zu erkennen, wo der Rotstift nicht angesetzt werden sollte, ja wo dies sogar kontraproduktiv sein könnte. Die Schwerpunkte, in denen wir deutliche Akzente setzen wollten, waren die Bereiche Kinder/Jugend und alte Menschen.

Bei den Schulen haben wir uns dafür ausgesprochen, den Anstrich des Treppenhauses der GS Orsoy in diesem Jahr ebenso durchzuführen wie die Demontage von vier ausrangierten Pavillons der GS Wallach. Die Wichtigkeit der Maßnahme wurde ja in einem Brandbrief der Elternschaft und des Fördervereins noch einmal betont. Sehr wichtig war uns nach der Überprüfung einiger Toilettenanlagen der Grundschulen vor allem die Sanierung der schon anrüchig gewordenen Toiletten der GS Grote Gert. Die Kinder sollten es uns Wert sein, auf einen zumutbaren sanitären Standard zu achten.

Kritisch begleitet haben wir seit über einem Jahr die Ausstattung der Schulen mit Neuen Medien. Dies nicht etwa, weil wir Computer an Schulen ablehnten. Bekanntlich stehen Grüne ja den neuen technischen Errungenschaften im IT-Bereich besonders aufgeschlossen gegenüber. Allerdings muss allein schon aus Gründen finanzieller Kalkulierbarkeit klar sein, in welchem Umfang die Schulen in Zukunft Hardware benötigen und welche Software Einsatz finden soll. Hier fehlen bislang medienpädagogische Konzepte. Diese fordern wir ein.

Für Kinder haben wir einen Haushaltsansatz schon in diesem Jahr für die Herstellung oder Sanierung von Spielplätzen gefordert, so am Kiefernweg und an der Bachstraße – leider ohne Erfolg. Ebenso unverständlich war für uns, dass eine Mehrheit von CDU, SPD, FDP und Bürgermeisterin die einjährige Verschiebung der Anlegung von neuen Kinderspielplätzen im Neubaugebiet Orsoyerberg durchgesetzt hat. Erst Baugebiete ausweisen und realisieren, wodurch vor allem junge Familien mit Kindern angesprochen werden, dann aber die Herstellung von Kinderspielplätzen verschieben – das kann nun wirklich nicht als kinderfreundliche Politik verkauft werden.

Bei den Maßnahmen für alte Menschen stand für uns im Vordergrund das Altenwohnheim Grote Gert . Es ist grundlegend sanierungsbedürftig. Die Erneuerung von Fernstern und Türen sollte noch in diesem Jahr komplettiert werden. Das sah dankenswerterweise auch die Verwaltung so. Beim altengerechten Ausbau der Badezimmer hätten wir uns eine Summe von 75.000 Euro schon in diesem Jahr gewünscht, der Vorschlag der SPD über 50.000 Euro als Verpflichtungsermächtigung stellt für uns einen gerade noch akzeptablen Kompromiss dar.

Weitere Vorschläge unserer Fraktion seien hier nur summarisch aufgelistet: Bei der Erneuerung der Beckenböden im Freibad hatten wir uns für die kostengünstigere Variante des Plattierens ausgesprochen, für die Veranstaltungsfläche für das Orsoyer Schützenfest sahen wir in diesem Jahr Handlungsbedarf, Maßnahmen hingegen wie der Schlossgarten Orsoy oder die Abbiegespur bei Lidl auf der Bahnhofstraße, die immerhin 50.000 Euro kosten soll, sind in unseren Augen Luxusprojekte, die dann verfolgt werden können, wenn das Stadtsäckel prall gefüllt ist. Dass wir nicht nur die Vorschläge anderer Fraktionen, sondern auch eigene Anträge aus der Vergangenheit vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Haushaltssituation kritisch überprüft haben, zeigt die Verschiebung der geschwindigkeitsreduzierenden Maßnahme in Alpsray.

Mittelfristig wichtig für die Stadtentwicklung sind nach unserer Auffassung die Planungen für die Umgestaltung der Knotenpunkte Bahnhofstraße/Wälle und für die Sanierung der Orsoyer- und der Rheinstraße, weswegen wir, allerdings vergeblich, für die Aufnahme in die Finanzplanung der nächsten Jahre plädiert hatten.

Unterm Strich bleibt festzuhalten, dass wir einige Vorschläge erfolgreich einbringen konnten, die für unsere Fraktion zentralen Maßnahmen aber abgelehnt wurden. Deshalb können wir den Haushalt nicht mittragen.

Interessant zu beobachten ist, dass in diesem Jahr die SPD wieder ins eh schon volle Haushaltsboot drängt und gar zu gerne mitrudern will. Da verbleibt die wichtige Aufgabe einer Opposition, auf Ungereimtheiten und Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen, wieder allein bei der bündnisgrünen Fraktion. Aber wie Sie aus den Vorjahren wissen, nehmen wir diese Herausforderung gerne und mit Elan an.

Die CDU beansprucht für sich, so war’s in der Presse zu lesen und im Hauptausschuss zu hören, einen konsequenten Sparhaushalt zu fahren. Richtig ist, dass die Christdemokraten nach Jahren des üppigen Verteilens und Ausgebens nun auch die Notwendigkeit der fiskalischen Beschränkung erkannt haben und dazu auch Vorschläge präsentierten. Neben einigen von uns auch befürworteten kommt dann aber ein wahrhaft denkwürdiger Antrag der CDU an die Verwaltung, der da lautet, dass durch eine pauschale Kürzung der Ausgabensätze noch einmal 300.000 Euro eingespart werden sollten. Das ist genial und zukunftsweisend. Wir brauchen also demnächst den Kämmerer bei Einbringung des Haushalts nur zu fragen, wie hoch der Fehlbetrag ausfallen wird, stellen dann einen Antrag, die Verwaltung möge in genau dieser Höhe pauschale Kürzungen vornehmen – und schon sind wir aller Haushaltsprobleme ledig. Was die CDU übersieht: Von der Vorgabe der Kämmerei an Dezernate und Ämter zu Beginn der Haushaltsberatungen, den Fehlbedarf um rund 500.000 Euro zu reduzieren, hat eine interne Arbeitsgruppe lediglich ein Sparvolumen von rund 150.000 Euro erreicht. Soviel zur Seriosität solch eines Antrags.

Pauschale Kürzungen sind zudem gerade im Bereich der Gebäudeunterhaltung hoch problematisch. Damit droht die Gebäudesubstanz in Mitleidenschaft gezogen zu werden.

Aber auch mit der Konsequenz christdemokratischen Sparens hat das so seine Bewandtnis. Für die Jugendfeuerwehr forderte die CDU gleich 10.000 Euro zusätzlich, was einer Komplettausstattung gleich käme. So wünschenswert es auch sein mag, alles sofort zur Verfügung zu stellen – nur werden in anderen Fällen angesichts der Haushaltsebbe die erforderlichen Mittel über Jahre verteilt gewährt. Das war auch die Linie unserer Fraktion, die 5.000 Euro in diesem Jahr als ausreichend angesehen hatte. Ebenso die Verkehrsberuhigung auf der Ulmenallee, mit 20.000 Euro für uns zu hoch angesetzt, oder der Ausbau des Gehwegs an der Bischof-Roß-Straße für 35.000 Euro, ein Projekt, das sich gut hätte verschieben lassen. Gar nicht zu reden vom neuen Dienstleistungsbetrieb Rheinberg, den uns die CDU aufgedrückt hat und der zusätzliche Kosten für Personal, Sachmittel und neu geschaffenen Ausschuss verursacht.

Aufgedrückt übrigens auch gegen den Willen der Verwaltung und damit der Bürgermeisterin. Nun war der Presse zu entnehmen, dass Ute Schreyer gerne als Bürgermeisterin wiedergewählt werden möchte und die CDU ihr Unterstützung signalisiert habe. Offen gestanden, das hat mich nach den Erfahrungen der letzten Monate doch etwas verwundert. Da wurden ihr von der eigenen Partei immer wieder Steine in den Weg gelegt, nicht nur beim DLB. Wer erinnert sich nicht an das groteske Hin und Her bei der Öffnung und Schließung der Werftstraße oder die Posse um den Gebetsraum im Gewerbegebiet, alles Bürgermeisterin contra CDU. Ich will die Gelegenheit nutzen und die Frage an die CDU loswerden: Sind Sie wirklich der Meinung, dass die Bürgermeisterin ihre Sache so schlecht macht, dass Sie sie immer wieder mal öffentlich vorführen?

Aber auch bei der SPD ist nicht alles Rot, was glänzt. Ihren Antrag, 5.000 Euro für ein örtliches Tourismus-Konzept in den Haushalt zu stellen, sehen wir als äußerst problematisch an. Die Kündigung des Vertrags mit der Touristik-Agentur-NiederRhein kann doch nicht der Anlass sein, jetzt wieder in touristischer Kleinstaaterei zu machen. Was wir benötigen, ist eine neue, größere und noch werbewirksamere Touristik-Agentur für den Niederrhein. In der Gemeinsamkeit liegt die Stärke, nicht im Rückfall ins Idyll des eigenen Sprengels.

Soviel zu einzelnen Etat-Titeln. Was den Gesamthaushalt angeht, so müssen wir deutlich feststellen: Es geht bergab! Zwar steht Rheinberg im Vergleich zu etlichen Kommunen noch nicht wirklich schlecht da, doch ist es die Generaltendenz, die einem Sorgenfalten von der Tiefe und Anzahl wie beim geschätzten Bundesaußenminister auf die Stirn treibt. Die Rücklage wird in rasantem Tempo aufgezehrt, mehr als 4,1 Mio Euro müssen für den Ausgleich des Verwaltungshaushalts bereitgestellt werden, die Kreditaufnahme übersteigt die vom Kämmerer im letzten Jahr als maximal vertretbar bezeichnete Summe von 2,5 Mio um 260.000 Euro, der für das nächste Jahr zu erwartende Kreditbedarf sprengt gar mit über 7,6 Mio Euro jedes vernünftige Maß.

Vor diesem düsteren Hintergrund hätte es sich angeboten, rechtzeitig vor den nächsten Haushaltsberatungen in einer konzertierten Aktion von Politik und Verwaltung die Investitionen durchzuforsten. Wir hatten dies auch vorgeschlagen, sind damit aber nicht nur von den anderen Fraktionen, sondern bemerkenswerterweise auch von der Verwaltung nicht unterstützt worden. Über Rheinbergs Haushalt brauen sich dunkle Wolken zusammen, im nächsten Jahr ist auch noch Kommunalwahl, und da wollen wir weiter business as usual machen? Darauf sind wir sehr gespannt!

Wie Sie bemerkt haben dürften, bin ich nicht auf eine gesamtwirtschaftliche Diskussion eingegangen, sei es, dass sie das Land, den Bund oder gar die globale Situation fokussierte. Zu erwarten sind dabei die immergleichen vorgefertigten Versatzstücke aus der parteipolitischen Retorte, die sich in den immergleichen wechselseitigen Schuldzuweisungen erschöpfen. Nicht, dass es diese Einflüsse aus Weltwirtschaft, Bund und Land nicht gäbe; daher unterstützen wir auch die Resolution und den Appell zur Gemeindefinanzreform. Nur: Die Aktion „Rettet die Kommunen“ vor Ort auszutragen, lässt nichts Gutes ahnen. Hier scheint uns engstirniges parteipolitisches Gezänk vorprogrammiert zu sein.

Nein, bei aller Sympathie für solch einen Slogan, der in für uns anheimelnder Weise an die Anfangsphase der Umweltbewegung und der Grünen erinnert – wer kennt nicht die Kampagnen wie „Rettet die Wale“ oder „Rettet den Wald“ -, nein, neben dem berechtigten Aufruf, die Gemeindefinanzen auf eine solidere Basis zu stellen, sollten wir hier vor Ort unsere Hausaufgaben machen und nicht immer nur mit dem Finger auf Andere weisen.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich mich bei den Mitarbeitern der Kämmerei herzlich für die stets hilfreiche Unterstützung und Erläuterung aller für uns erklärungsbedürftigen Punkte bedanken. Gespannt warten wir übrigens auf die nächsten Haushaltsberatungen, wenn der lang erwartete Produkthaushalt uns – vielleicht – die Haushaltsansätze noch transparenter macht.

Das alljährliche und vertraute Ritual der Haushaltsdebatte ist normalerweise so etwas wie ein ruhender Pol in den politischen Gezeiten. Doch Normalität wollte sich in der abschließenden Phase der Haushaltsberatungen in diesem Jahr nicht einstellen. Zu sehr warf das alles Andere in den Hintergrund drängende Thema dieser Tage, warfen die zutiefst bedrückenden Bilder und Nachrichten vom Krieg im Irak ihre Schatten darauf. Es gibt zu diesem Krieg unterschiedliche Auffassungen – wir halten ihn für nicht ausreichend begründet und völkerrechtswidrig -, doch dem Leid der Bevölkerung kann sich, denke ich, niemand verschließen. Krieg bedeutet, trotz aller Propaganda von „chirurgischen Maßnahmen“, das Töten vieler Menschen, seien es Soldaten oder Zivilisten. Wir können nur, ohnmächtig zwar, hoffen, dass dieser Krieg, dass das Leid der in vielerlei Hinsicht heimgesuchten Menschen im Irak ein rasches Ende findet und ihnen eine bessere und lebenswertere Zukunft vergönnt ist. Dazu können auch wir, jeder an seinem Platz, einen Beitrag, und sei er noch so bescheiden, leisten.

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