Haushaltsrede 2011

Haushaltsrede der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes

in der Ratssitzung am 12. April 2011

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren!

Der Kubismus: Entstanden als Kunstrichtung ca. 1908 ist der Begriff abgeleitet aus dem altgriechischen Wort für Würfel. Die Entwicklung des Kubismus wird in vielen kunsthistorischen Rezensionen als das größte Abenteuer der Kunst des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Die Nachahmung der Natur, wie sie im 19. Jahrhundert noch vorherrschte, die Illusion von Räumlichkeit und Plastizität trat hinter die Frage der Darstellung und Aufgliederung von Formen zurück.

Der Kubismus wird als ein Umsturz der Fundamente bewertet. Er brachte gleich diverse Untergruppierungen hervor: den analytischen Kubismus, den orphischen Kubismus, ja sogar Salonkubisten bildeten eine eigene Gruppe.

Er hielt aber nicht lange vor – nach 1914 wird sein Ende angesetzt. Picasso, immerhin der Auslöser dieser Kunstrichtung, erinnerte sich an seinen Abschied vom Kubismus: „Aus dem Kubismus hat man eine Art Körperkultur machen wollen.” Man bildete sich ein, “alles auf einen Würfel zurückzuführen hieße, alles zur Wucht und Größe zu erheben. Daraus ist eine verkünstelte Kunst hervorgegangen (...)”

Soweit die Informationen aus Wikipedia, Stand 2. April 2011, ich weise auf das Zitieren ausdrücklich hin, nur so für alle Fälle.

Bei uns beginnt bald die Ära des Rheinberger Kubismus – zwar rund 100 Jahre verspätet, aber ich stehe nicht an zu sagen, dass dies nicht notwendig ein Ausweis Rheinberger Rückwärtsorientierung sein muss.

Demnächst sind sie also in der Rheinberger Innenstadt zu bewundern – Linden der Marke Greenspire, tropfsicher und akkurat auf kastenförmig getrimmt. Die solcherart künstlerisch gestalteten Bäume illustrieren damit auf’s Trefflichste den Slogan der Stadt Rheinberg „Natürlich niederrheinisch“.

Ohne dem zu erwartenden Gesamtkunstwerk zu nahe treten zu wollen, hoffen wir doch sehr, dass die kubistische Ära in Rheinberg länger vorhalten möge als das historische Vorbild Anfang des vergangenen Jahrhunderts, dem nur ca. 6 Jahre beschieden waren.

Welche Emotionen die Baumdebatte immer noch hervorzurufen imstande ist, war in der letzten Ratssitzung beim Vorsitzenden der CDU-Fraktion zu spüren. Er hat sich aber entschuldigt, und damit ist die Sache für mich erledigt.

Warum noch einmal der Rekurs auf die Bäume? Nun, sie zeigen in zugespitzter Form sehr deutlich, was nach unserer Auffassung im Haushalt schief läuft.

Die Haushaltslage der Stadt Rheinberg: Fehlbedarf rund 4,3 Millionen Euro – Besserung nicht in Sicht; 6,2 Millionen Euro zusätzliche Kreditaufnahme – Besserung ebenfalls nicht in Sicht. Haben wir verstanden?

In den Haushaltsberatungen konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Haushaltslage in anderen Fraktionen und in Teilen der Verwaltungsspitze kaum als beunruhigend wahrgenommen wird. Da wurde auf die übliche Verbesserung am Ende der Haushaltsberatungen spekuliert: mehr Gewerbesteuereinnahmen, der Kelch einer noch höheren Kreisumlage an uns vorbeigegangen, also weniger Defizit, auch die Pro-Kopf-Verschuldung im Vergleich zu anderen Kommunen noch nicht so hoch - am Ende steht das Business as usual. Soll es, darf es das sein? Wir meinen nein!

Portugal ist das jüngste Beispiel für einen Staat, dessen Finanzsystem am Ende ist und daher den europäischen Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Produkte, Dienstleistungen, Investitionen werden zunehmend auf Pump finanziert. In Rheinberg ist das nicht anders.

  • Man oder frau schaue sich nur die Entwicklung der Liquiditätskredite an, die in den vergangenen Jahren förmlich explodiert sind – im letzten Jahr kumuliert 54 Millionen Euro.
  • Hinzu kommt, dass wir der Lösung des strukturellen Defizits, das wir seit Jahrzehnten in Millionenbeträgen vor uns herschieben, bis-lang keinen Schritt näher gekommen sind.
  • Und unsere Schulden bewegen sich wieder in Richtung deutlich über 20 Millionen Euro.

All das ist der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Anlass genug, heute einen Antrag vorzulegen, der der Haushaltspolitik in Rheinberg für die nächsten Jahre eine neue Ausrichtung geben möchte.

Zum einen wollen wir ran an das strukturelle Defizit: Die magische Hürde von 5% soll nicht mehr gerissen werden – und zwar dauerhaft. Wir halten nichts von Tricksereien, in einem Jahr diese Grenze bewusst zu überschreiten, um im darauffolgenden knapp darunter zu bleiben und so die Haushaltssicherung noch zu vermeiden. Deshalb sollten nach unserer Auffassung die Fehlbeträge Stück für Stück verringert werden, bis wir endlich mal Licht am Ende des Tunnels sehen, sprich keine Lücke mehr zwischen Ausgaben und Einnahmen haben.

Zum anderen möchten wir bei der Neuverschuldung eine Hemmschwelle einbauen und Kredite für Investitionen im Regelfall auf die Höhe der Tilgung von Altkrediten begrenzen. Um allerdings Investitionen für bedeutende und nachhaltig wirksame Projekte weiter zu ermöglichen, soll es eine Öffnungsklausel geben. Darüber, wann die Überschreitung möglich sein soll, wäre dann jedes Mal im Einzelfall zu beschließen.

Ist das nicht alles zu restriktiv, legen wir uns da nicht unnötige Fesseln an? Ein klares Nein von unserer Seite. Wenn wir es nicht einmal schaffen würden, das strukturelle Defizit zu verringern und die 5%-Hürde zu unterschreiten, ja dann gute Nacht. Das wäre die Bankrotterklärung der Rheinberger Politik.

Wir kennen sie wohl, die Einwände, die dann immer rasch kommen.

Einwand 1: Das nützt alles nichts, die Belastungen, die Bund und Land uns aufgebürdet haben, sind zu groß, um da irgendwie gegensteuern zu können.

Richtig ist, dass vor allem vom Bund, aber auch vom Land den Kommunen neue und zusätzliche Aufgaben zugewiesen wurden, ohne diese ausreichend finanziell dabei zu unterstützen. Da muss dringend nachjustiert werden, damit den Kommunen wieder Luft zum Atmen bleibt.

Aber die Frage muss auch an dieser Stelle erlaubt sein: Sind es nur die finsteren Mächte aus Berlin oder Düsseldorf, die uns unseren Haushalt ruinieren? Oder tragen nicht auch wir mit Luxusausgaben dazu bei, unsere Probleme im Haushalt immer weiter zu vergrößern? Ich denke, ich kann auf die Aufzählung hierzu verzichten, wir kennen sie alle, und es sind keineswegs nur die Bäume.

Einwand 2: Keine Gestaltung für Politik wäre dann mehr möglich, insbesondere der wichtige soziale Bereich müsse doch gefördert werden. Unsere Antwort darauf: Ja, es ist wichtig, im Umweltbereich, in der Bildung und bei sozialen Vorhaben Geld zu investieren. Daraus erwächst in Zukunft ein gesellschaftlicher Mehrwert oder auch eine finanzielle Rendite. Das wäre dann im besten Sinne vorsorgende und weitblickende Politik.

Aber wir müssen uns auch fragen: Wie sozial ist es eigentlich, unseren Nachkommen einen Berg an Schulden zu hinterlassen?

Wozu eine unkontrollierte Verschuldungspolitik führt, hat doch die Immobilienkrise in den USA gezeigt, von der dann der Crash an den Finanzmärkten ausging. Da wurde der Traum vom kleinen Eigenheim von der Kreditkarte, die durch die zweite und dritte Kreditkarte gedeckt war, finanziert. Und so, wie dort die Menschen ins soziale Elend gestürzt wurden, so stehen jetzt ganze Staaten vor der Nichtfinanzierbarkeit.

Sage keiner, was geht uns das an, wir wirtschaften doch vergleichsweise solide. Über die Jahre hat sich in den Köpfen eine Denkweise eingeschlichen, die vorrangig im Blick hat, was man alles Schönes und Gutes für das Gemeinwesen tun sollte. Ob das solide finanziert werden kann, war und ist zunehmend zweitrangig geworden. Ich wiederhole einen Satz, den wir schon an anderer Stelle verwendet haben: Würde ein Privathaushalt so wirtschaften, wie die Stadt Rheinberg, wäre er schon längst bei der Schuldnerberatung gelandet.

Im Bankenwesen wurde zur Entsorgung finanzieller Altlasten die sogenannte Bad Bank erfunden. Wir als Kommune haben aber nicht die Möglichkeit, eine Bad Town zu gründen, um dort all unsere Altprobleme zu deponieren. Wir selbst müssen an das Problem heran.

Daher haben wir auch den heute vorliegenden Antrag zum Defizit- und Schuldenabbau gestellt, um den ersten Schritt mal zu wagen. Und es ist ein Wagnis, denn die Erkenntnis, dass wir auf zu großem Fuß leben, bringt im nächsten Schritt die Frage auf die Tagesordnung, wo wir uns denn dann einschränken müssen. Weniger statt mehr, und sei es noch so gering, ist jedoch nicht populär, und deshalb geht die Politik dieser Frage gerne aus dem Weg.

Dennoch sind wir der Überzeugung, dass wir uns nicht vor diesem Problem drücken dürfen. Es gibt zwei Stellschrauben, an denen wir drehen können, um unseren Haushalt zu konsolidieren: die Einnahmen verbessern und die Ausgaben reduzieren. Für uns hängt beides miteinander zusammen.

Deshalb reicht es uns auch nicht, nur bei der Einnahmeseite tätig zu werden. Ja, wir sind dafür, die Steuern moderat anzuheben; bei den vielfältigen und wichtigen Aufgaben, die die Stadt für ihre BürgerInnen wahrnimmt, scheint uns das gerechtfertigt. Aber den BürgerInnen in die Tasche zu greifen, ohne gleichzeitig unsere Hausaufgaben auf der Ausgabenseite zu machen, das geht für uns Grüne nicht.

Mit unserem Antrag zur Haushaltskonsolidierung haben wir einen Vorschlag für eine Neuausrichtung der Rheinberger Haushaltsführung gemacht und dabei versucht, auch Bedenken gegen eine zu stark einschränkende Formulierung Rechnung zu tragen. Leider findet der Antrag in diesem Jahr keine Mehrheit.

Insofern können wir dem Gesamthaushalt in diesem Jahr keine Zustimmung geben.

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