BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bündnis 90/Die GRÜNEN Rheinberg

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Fraktionssprecher Jürgen Bartsch zum Haushalt 2024

18.04.24 –

Was für eine schwere Geburt! Ich bin ja nun schon ein paar Jahre Mitglied des Rheinberger Rates, aber eine solch schwierige Haushaltsberatung habe ich noch nicht erlebt.

Um es gleich klarzustellen: Es lag nicht an der Verwaltung, für deren hohen Einsatz, insbesondere in der Kämmerei, ich mich schon an dieser Stelle herzlich bedanken möchte. Es lag auch nicht an der Politik. Auch hier mein Dank an das sehr kollegiale Zusammenwirken mit den Fraktionsvertretern aus CDU, SPD und FDP. Woran also lag es dann?

Schon die Einbringung des Haushalts im Dezember glich einer echten Hiobsbotschaft. Eine noch nicht dagewesene Erhöhung der Steuern, insbesondere der Grundsteuern, war vorgesehen, um die Haushaltssicherung abzuwenden. Was in den Wochen danach folgte, war nicht nur eine Achterbahnfahrt der Zahlen, sondern auch der Gefühle. Mal schienen die Zahlen sich etwas weniger dramatisch zu entwickeln – von positiv konnte nie die Rede sein -, mal verdüsterte sich die Perspektive wieder.

Dreh- und Angelpunkt dieser hohen Volatilität waren die Gewerbesteuereinnahmen – oder besser deren Ausbleiben. Nachzahlungen sind ja immer gerne gesehen und haben Rheinbergs Haushalt schon das eine und andere Mal aus der Bredouille geholfen. Nach unten zu korrigierende Vorauszahlungen allerdings sind Gift für eine kalkulierbare Haushaltsplanung, mit höchst unerfreulichen Nebenwirkungen für die Gestaltungsmöglichkeiten der Kommune. Hier sind wir bei einem wesentlichen Faktor der beständig drohenden Schieflagen kommunaler Haushalte angelangt. Die Leistungsfähigkeit der Kommunen wird seit Jahren stark strapaziert, in etlichen Fällen überstrapaziert. Dieses Klagelied ist immer wieder von Städten und Gemeinden zu hören, daher will ich es hier nicht erneut in larghissimo und fortissimo anstimmen. Nur so viel: Es trifft zu, dass der kommunalen Familie von Bund und Land mehr und mehr Aufgaben vorgegeben werden, die nicht ausreichend gegenfinanziert sind. Echte Konnexität würde anders aussehen.

Ein Zweites kommt hinzu: Das Anspruchsniveau in der Bürgerschaft ist gestiegen. Es werden mehr und bessere Leistungen von der Verwaltung und damit natürlich auch von der Politik erwartet. Im Sport, bei den Bädern, im kulturellen Bereich, in der Mobilität, der Kinderbetreuung, bei den Schulen, um nur einige Bereiche zu nennen, werden Neubauten, Sanierungen, Verbesserungen usw. eingefordert, vielfach gut nachvollziehbar. Nur was tun, wenn die wichtigste Einnahmequelle nicht so sprudelt wie erwartet und zur Erfüllung der Aufgaben und Wünsche erforderlich?

Will man die erneute Haushaltssicherung vermeiden, und das wollte die GRÜNE Fraktion unter allen Umständen, gibt es zwei Möglichkeiten: Ausgabenkürzungen und/oder Einnahmeerhöhungen. An beidem hat sich die 4er Gruppe von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN abgearbeitet in vielen und langen Abstimmungsgesprächen, sogar an Sonntagabenden. Herausgekommen ist, wie nicht anders zu erwarten, ein Kompromiss, sowohl was Einsparungen als auch Einnahmesteigerungen angeht – ein Kompromiss, den unsere Fraktion in dieser sehr schwierigen Situation für akzeptabel hält.

Wir müssen uns das Ergebnis nicht schönreden: Die in der Liste nachzulesenden Einschnitte oder Vertagungen sind zum Teil schmerzlich. So wäre ein Einstieg in die iPad-Ausstattung der Schulen schon jetzt wünschenswert gewesen, ebenso die Planung für ein Kombibad. Besonders bedauerlich auch das Streichen der ökologischen Förderprogramme oder die personellen Kürzungen, hängt damit doch auch die Umsetzung wichtiger Zukunftsaufgaben zusammen.

Allerdings hätte auch noch mehr getan werden können: Bei unserer Haushaltslage sind mehr als 2 Millionen Euro für einen Kreisverkehr an der Eversaeler/Rheinberger Straße schwer zu rechtfertigen, wo es doch mit einfacheren Mitteln eine verbesserte Straßenquerung insbesondere für Radfahrerinnen und Fußgänger hätte geben können.

Andererseits fehlen im Haushalt Mittel, mit denen die dringend notwendige Verkehrswende in Rheinberg heuer schon hätte eingeleitet werden können. Vorzügliche Konzepte liegen vor, allein fehlen bisher die politischen Mehrheiten für eine Umsetzung – und nun auch die finanzielle Absicherung. Aber darüber wird noch zu verhandeln sein. Die zentralen und finanziell gewichtigen Maßnahmen im Sport werden trotz aller Sparbedürfnisse umgesetzt, sprich die neuen Kunstrasenplätze in Borth und in Rheinberg-Mitte kommen wie geplant.

Ebenso wird in der Kindertagespflege mit der Erhöhung der Förderleistung erneut eine auch finanzielle Würdigung der wichtigen pädagogischen Arbeit vorgenommen. Insgesamt nimmt die Stadt Rheinberg bei der Finanzierung der Tagespflege im Kreis Wesel einen Spitzenplatz ein. Bei all den Schwierigkeiten, überhaupt einen Haushalt ohne Haushaltssicherung zu konzipieren, ist das, denke ich, keine Kleinigkeit! Die Sachkosten allerdings müssen zunächst einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden, um eine unanfechtbare Regelung treffen zu können. Irritierend und nicht recht nachvollziehbar ist dabei, dass der Kreis Wesel für die von ihm betreuten Kommunen den Sachkostenanteil sogar gesenkt hat. Dies weist auf eine ungute und kaum zu rechtfertigende Uneinheitlichkeit der Kostenermittlung in Kreis und Kommunen hin. Wir halten es daher für ganz wesentlich, dass eine Vereinheitlichung zumindest auf Kreisebene angestrebt wird. Der alte Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sollte doch auch in diesem wichtigen Arbeitsfeld Geltung haben. Hier muss das Land klare Vorgaben entwickeln.

Um zumindest solch wichtige Positionen stemmen zu können, war eine Erhöhung der Steuern unumgänglich – trotz aller Bemühungen, diese mit Einsparungen möglichst gering zu halten. Aber die Zahlen sehen gegenüber dem Entwurf deutlich anders aus: Durch gemeinsame Anstrengung von Verwaltung und den Fraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN kann nun korrigiert werden: Grundsteuer A: 390% statt 600%; Grundsteuer B: 590% statt 920%. Die Gewerbesteuer blieb unverändert, da sie gegenüber dem Vorjahr sowieso nur geringfügig um 10% angehoben wird. Richtig ist: Es gibt eine Erhöhung beider Grundsteuern, die aber deutlich gegenüber den Ursprungsplanungen abgemildert werden konnte.

Nach der gegenwärtigen Projektion würde die Allgemeine Rücklage auch erst im Jahr 2026 betroffen sein. Erklärtes Ziel unserer Fraktion ist jedoch, den Rückgriff auf unsere „eisernen Reserven“ möglichst zu vermeiden. Das wird Aufgabe der kommenden Haushaltsberatungen sein. Lassen Sie mich resümieren: Dieser Haushalt bietet nicht viel mehr als Business as usual mit Rotstiftmarkierungen. Eine haushalterische Unterstützung der perspektivischen Weiterentwicklung unserer Stadt in den für die Zukunft so bedeutsamen Bereichen Umwelt, Klima, Verkehr bietet er nicht oder allenfalls im Bonsai-Format. Da sollte, ja müsste deutlich mehr sein. Allein auf das bürgerschaftliche Engagement zu setzen, wie in Budberg sehr positiv zu sehen, dürfte letztlich nicht ausreichen. Die Stadt als Initiator und Impulsgeber ist letztlich unentbehrlich.

Dennoch stimmen wir dem Haushalt dieses Jahres zu, wenn auch sicher nicht mit Freude. In Abwägung aller Pros und Cons lassen uns die erheblichen finanziellen Restriktionen in diesem Jahr wenig Spielraum. Dass die FDP unterm Strich zu einer anderen Bewertung kommt und dem Haushalt nicht zustimmt: geschenkt. Interessant wäre nur, die bei Verzicht auf Steuererhöhungen notwendigen Einsparvorschläge der Freidemokraten mal vorgelegt zu bekommen, die ein HSK verhindern. Hier allein auf die fehlenden Vorschläge der Verwaltung zu verweisen, ist wohlfeil. Die Liste freiwilliger Leistungen liegt uns vor. Aber es ist natürlich unangenehm und politisch wenig einträglich, Einsparungen oder gar Streichung von Leistungen und Einrichtungen zu fordern. Da greift es sich lieber zum politischen Balsam: keine Steuererhöhungen. Man könnte dies auch als den bequemen Weg in unbequemen Zeiten bezeichnen.

Hoffen wir, dass das kommende Haushaltsjahr weniger disruptiv und unkalkulierbar daherkommt. Sorge macht uns schon, dass die Gewerbesteuer für die Zukunft durch die Kämmerei sehr großzügig kalkuliert wird. Falls das nicht eintrifft ... wir mögen uns das gar nicht vorstellen.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

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Fraktion | Haushalt und Finanzen

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