Biodiversität und Landwirtschaft - GRÜN gedacht

Dr. Volkhard Wille sprach beim Frühjahrsempfang der Kreis Weseler GRÜNEN

24.04.24 –

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Kolleg*innen, ich wünsche Ihnen und Euch einen schönen Frühlingsmorgen – auch wenn der April noch macht, was er will und wir dieses Wochenende ziemlich nass und klamm erleben.

Meine Aufgabe ist es nun über einige aktuelle Themen aus der Landtagsarbeit zu berichten und diese einzuordnen. Ihr hattet konkret zu den Themen „Ökologie, Biodiversität und Landwirtschaft“, „Recycling, Kreislaufwirtschaft“ und „Demokratie/Wahlbeteiligung“ angefragt. Und dies sind ja auch unsere grünen Kernthemen, für die uns die Bürger*innen und Bürger wählen.

Ökologie, Biodiversität und Landwirtschaft Im politischen Geschäft geht immer mehr die Erkenntnis verloren, dass der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen die Grundlage für ALLES weitere ist. Wirtschaftlicher Erfolg, Bildung, Kultur und sozialer Zusammenhalt ist nur möglich, wenn wir in einer gesunden Umwelt leben können. Gesundes Trinkwasser, Lebensmittel, frische Luft und vieles mehr – all diese Ökosystemfunktionen nehmen wir selbstverständlich hin – sie sind es aber nicht.

Wissenschaftler um Prof. Rockström haben das Modell der planetaren Grenzen entwickelt, um zu verdeutlichen, in welchen Bereichen die Menschheit schon jetzt jenseits der roten Linien lebt. An erster Stelle der globalen Umweltprobleme steht die Zerstörung der Biodiversität, an zweiter Stelle die beschädigten Stoffkreisläufe im Bereich Stickstoff und Phosphor und an dritter Stelle die Klimakrise. Das zeigt, dass die öffentliche Wahrnehmung nicht mit der Einschätzung der Wissenschaft übereinstimmt.

Die Professorin Katrin BöhningGaese erforscht als Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt am Main und sagt: „die Klimakrise entscheide, wie wir in Zukunft leben, die Biodiversitätskrise, ob wir überleben.“ Stellt man sich das System unserer Arten vor und vergleicht es mit einem Kartenhaus: ganz unten Mikroorganismen, darauf aufbauend die Pflanzen, Insekten, Wirbeltiere und an der Spitze der Mensch. Mit jeder Ausrottung einer Art nimmt man eine Karte aus dem Haus – und alles wird instabiler und das Kartenhaus gerät ins Wanken.

Bei der Diskussion um Pestizide wie zum Beispiel Glyphosat geht es nicht nur um Rückstände. In der Diskussion wird völlig ausgeblendet, welche Auswirkungen der Einsatz eines Totalherbizids wie Glyphosat für die Biodiversität hat: eine komplette Etage des eben beschriebenen Kartenhauses wird eliminiert (die Pflanzen). Darauf aufbauend finden dann Insekten keine Nahrung, Vögel keine Nahrung … Die Zahl der Rebhühner ist innerhalb von 25 Jahren um 91 Prozent zurückgegangen, die der Kiebitze sogar um 93 Prozent, die Bestände der Feldlerchen haben sich halbiert.

Denn in der Landwirtschaft ist die Produktivität seit dem Zweiten Weltkrieg immer weiter erhöht worden. Das war am Anfang auch notwendig, man wollte ja etwas zu essen haben. Das heutige Maß an fast intensiver und manchmal sogar industrieller Landnutzung verursacht jedoch massive Schäden. Die schwarz-grüne Landesregierung hat deshalb einiges auf dem Weg gebracht: - die Biologische Stationen stärken - ein Landesprogramm Biologische Vielfalt eingerichtet - und der Naturschutzetat soll schrittweise verdoppelt werden.

Wichtig ist mir, dass mit den Landwirten an der Reform und Weiterentwicklung der Landwirtschaft hin zu einer natur- und umweltverträglichen Landnutzung gearbeitet wird. Die Zukunftskommission Landwirtschaft und die Borchert-Kommission haben eine gute Grundlage geschaffen und einen gesellschaftlichen Konsens in Sichtweite gebracht. Das würde auch der Landwirtschaft langfristig Planungssicherheit geben. Aktuelle Entwicklungen, diese gemeinsam erarbeiteten Reformen abzuschaffen oder zurückzudrehen halte ich für fatal.

Recycling, Kreislaufwirtschaft Einer meiner Arbeitsaufträge ist auch, etwas zur Rohstoffpolitik, insbesondere im Bereich Sand & Kies der schwarz-grünen Landesregierung zu berichten: Am gesamten Niederrhein wird Kies und Sand abgebaut. Wir alle kennen die negativen Folgen: - Landschaftszerstörung - Vernichtung wertvoller landwirtschaftlicher Böden - Freilegung und damit Gefährdung des Grundwassers - und einfach unnötiger Ressourcenverbrauch. Wesel ist mittendrin und betroffen – auch durch die geplanten Festlegungen im Regionalplan des Regionalverbands Ruhr (RVR), mit etlichen Abgrabungen aber auch mit Firmen der Rohstoffbranche und ihren Arbeitsplätzen.

Wenn wir unsere Klima- und Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen, müssen wir eine Kreislaufwirtschaft etablieren – auch im Bausektor. Wenn man sich die Statistiken zur Gewinnung von Kiesen uns Sanden, und noch mehr der Entsorgung von Baustoffen ansieht, fällt eines auf: Ein Großteil der mineralischen Bauabfälle landet, nachdem beispielsweise ein Haus oder eine Brücke abgerissen wurde, in Deponien. Wir baggern also unsere Heimat ab, und nachdem wir die Baustoffe nicht mehr brauchen, landen sie als mineralische Abfälle in Kiesgruben. Das gilt gesetzlich dann immer noch als „Verwertung“ und zeigt, dass da etwas falsch läuft.

Eine aktuelle Pressemitteilung zur Veröffentlichung des Monitoring-Bericht des Umweltministeriums (MUNV) vom 22. März 2024 dokumentiert: „Ungenutzte mineralische Bauabfälle in NordrheinWestfalen: Nur ein Prozent wird als RecyclingBaustoff für den Hochbau wiederverwendet.“ Dort ist meiner Meinung nach der entscheidende Ansatz, um weniger Primärrohstoffe abzubauen: Wir haben genügend Rohstoffe im Stoffkreislauf, sie dürfen nur nicht entsorgt werden, sondern müssen wiederverwendet werden.

Um dies zu fördern, muss vor allem eins passieren: Der Preis von Primärrohstoffen, also frisch abgebautem Kies und Sand muss steigen und der Preis von Sekundärrohstoffen, also Kies und Sand, der mithilfe von Recyclingverfahren aus Bauabfällen wieder hergestellt wurde, muss im Vergleich sinken. Denn die nötigen Verfahren sind bekannt und erprobt, nur lohnt sich der Einsatz momentan noch nicht, da Primärrohstoffe zu günstig sind. Eine Pilotanlage mit einer Jahreskapazität von mehr als 800.000 Tonnen pro Jahr steht übrigens in Hünxe.

Ein Weg, darauf Einfluss zu nehmen, ist der Landesentwicklungsplan (LEP), der durch den Regionalverband Ruhr mit dem Regionalplan konkretisiert wird. Der derzeitig in Aufstellung befindliche Regionalplan des RVR berücksichtigt noch nicht den von der Landesregierung angekündigten Degressionspfad. Daher kann ich die Kritik des Kreises Wesel und seiner Kommunen an der Landesregierung am Entwurf des Regionalplan verstehen und hoffe, dass die Klage der Kommunen Erfolg hat.

Um auch andere Wege zur Reduktion des Kies und Sandabbaus zu nutzen, habe ich mich während der Koalitionsverhandlungen erfolgreich für einen anderen Weg eingesetzt – die sogenannte Rohstoffabgabe: mit diesem marktwirtschaftlichen Instrument wollen wir die Preisdifferenz zwischen Recyclingmaterialien und Primärrohstoffen wie Sand und Kies noch größer machen. Ich habe es geschafft, die Einführung einer Rohstoffabgabe auf Kies und Sand zum 1.1.2024 in den Koalitionsvertrag zu verhandeln. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Die Verhandlungen in der Fraktion zum Gesetzesentwurf sind aber weitgehend abgeschlossen und jetzt liegt die Sache im Kabinett.

Demokratie, und Wahlbeteiligung, Haushalt Nach Bekanntwerden der unsäglichen Konferenz in Potsdam, bei der aus dem rechtsextremen Umfeld und von AFD-Vertretern die Remigration von Millionen Menschen diskutiert wurde, ging ein Ruck durch die Gesellschaft und wir haben sehr große Demonstrationen in ganz Deutschland erlebt. Das macht Hoffnung. Aber – wir müssen jetzt auch ins Handeln kommen.

Was ist im Alltag notwendig, um den rechtsextremen Tendenzen, der Demokratiemüdigkeit, dem Populismus zu begegnen. Ich habe Anfang März mit unserer Fraktionsvorsitzenden Verena Schäffer einen Demokratietag durchgeführt und verschiedene Orte und Organisationen besucht, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Was wir brauchen: - Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen - Kampf gegen Fakenews und Desinformation - Stärkung der Schulen, um Schüler*innen kompetent im Umgang mit Medien und zur Erkennung von Desinformation zu machen - Europawahl Wir müssen zeigen, dass Grün wirkt.

Sagen was man tun will – und dann auch tun, was man gesagt hat. Das ist die grundlegendste Form politischer Arbeit, um Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erwerben. Die Kreis Weseler Grünen machen das an vielen Stellen und Euer hartnäckiger Einsatz für weniger Flächenverbrauch am Niederrhein und einen kontinuierlichen Reduktions- und Ausstiegspfad aus dem Sand- und Kiesabbau wird landesweit gehört und hoffentlich bei der dritten Änderung des Landesentwicklungsplans dann auch erhöht. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein erfolgreiches Frühjahr! Vielen Dank

Kategorie

Bauen | Gesundheit und Verbraucherschutz | Landwirtschaft | Ortsverband | Umwelt | Wirtschaft

Nächste Termine

Es gibt keine Veranstaltungen in der aktuellen Ansicht.

RheinGrün